Genau wie in der Schulmedizin finden Sie im Sport so etwas wie Leitlinien. Unverrückbare Grundsätze, an die Sie sich halten sollten. Leitlinien, gegründet auf Vernunft, auf Erfahrung haben sich bewährt. Also folgt man Ihnen.

Hab ich nie getan.

Wenn ich gerade mal Zeit hatte (eine Woche Urlaub auf Lanzarote) bin ich eben täglich einen Marathon gerannt. Jeden unter 3:20h, also ein bisschen anstrengend. Oder hab mal getestet, ob ich Tour de France könnte. 14 Tage täglich 6 Stunden auf dem Rad. Knallhart. Natürlich wurde ich krank… War halt nicht leitliniengerecht.

Also war ich die etwas dümmliche Ausnahme? Der einmal 7 Wochen überhaupt nix trainieren konnte (Bein schon wieder gebrochen) und trotzdem nach Hawaii flog? Und durchkam?

Es gibt auch andere Ausnahmen. Immer locker bleiben. Solch eine andere heißt Daniela Ryf. Schweizerin. 2015 Siegerin in Hawaii. Also die beste der Welt derzeit. Mehr geht nicht. Und von der gibt es so ein „lockeres“ Interview. Staunen Sie mit und vergessen Sie nicht: Eine Profisportlerin!

    Frage: Wie kontrollieren Sie die passende Intensität? Mit Pulsgurt und Wattmessgerät?

    Antwort: Weder noch. An Wettkämpfen habe ich nie Messgeräte bei mir, da bin ich nur nach Gefühl unterwegs. Zahlen würden mich nur unter Druck setzen und verwirren. Es sagt wenig aus, wenn man schnell ist, aber der Wind von hinten bläst.

    Ich mache auch keine Leistungstests.

    Frage: Sie trainieren gerne Indoor auf der Rolle und auf dem Laufband, und dies auch im Sommer. Wieso?

    Antwort: Weil ich mich da komplett auf die Trainingsinhalte konzentrieren kann und nicht abgelenkt werde. Wenn ich draußen eine harte Radeinheit absolviere und abbremsen muss, weil zum Beispiel ein Kreisel kommt, dann ärgert mich das bereits, weil ich dann die Vorgabe nicht einhalten kann. Deshalb trainiere ich meist alleine… In der Gruppe wird man zu schnell abgelenkt. Oder muss warten, wenn jemand einen Platten hat.

    Frage: Feilen Sie an der Lauftechnik, um schneller zu werden?

    Antwort: Nein, Techniktraining mache ich nie.

    Frage: Hat das einen bestimmten Grund?

    Antwort: Mein Trainer hat gemeint, dass bringe mir nichts. Ich solle so laufen, wie es sich für mich natürlich anfühlen würde und wie es mir am meisten entspricht. Alles andere sei künstlich antrainiert und würde Triathleten nichts bringen. Was nützt es mir, wenn ich im Training schön auf dem Fußballen lande, das aber nach 180 Kilometer auf dem Rad gar nicht anwenden kann, weil die Muskulatur zu müde ist?

    Frage: Machen Sie Krafttraining?

    Antwort: An Maschinen nie. Beim Laufen trainiere ich Kraft in Form von Hügelläufen, auf dem Rad mit unterschiedlichen Trittfrequenzen. Manchmal fahre ich Kadenzen von nur rund 20 Umdrehungen pro Minute, dies aber mit extrem schweren Gängen.

    Frage: Rumpfstabilisation?

    Antwort: Nein, das habe ich früher gemacht, aber jetzt nicht mehr, und wenn wir schon dabei sind (lacht): Ich dehne auch nicht, auch das findet der Trainer unnötig. ...Einmal habe ich vor dem Schwimmstart gedehnt – und mir damit prompt einen Muskel überdehnt.


Locker bleiben. Ein passender Satz. Man muss also nicht. Man darf, man kann selbstverständlich. Aber es geht eben auch anders. Finde ich tröstlich.

Quelle: FITforLIFE 1-16, Seite 42