Unsere Gesellschaft, also wir Deutsche haben uns generell geeinigt: "Wir können nichts dafür." Das Wort Eigenverantwortung kommt im gesellschaftlichen Leben fast nicht mehr vor. Unerwünschte Abweichungen bis hin zur Armut haben "gesellschaftliche Gründe". Diese Denkweise trägt das Schlagwort "sozial". Ist also etwas Gutes.

Fällt mir die Klage einer Sozialpolitikerin ein: Die Deutschen würden ihre Möglichkeiten, einen Behindertenausweis zu beantragen und zu bekommen, leider nicht ausnutzen. Dieser Satz hat mich schon vor 25 Jahren als Arzt sehr erregt. Weil ich weiß, was solch ein Ausweis in der Tasche bewirkt. Man ändert sein Denken, man ändert sein tägliches Leben. Man passt sich dem Behindertenzustand mehr und mehr an. Denken Sie sich bitte einmal in diese Situation hinein:

Nehmen wir an, Sie sind gehbehindert. Brauchen einen Stock. Parken Ihr Auto auf dem Behindertenparkplatz. Wie werden Sie aussteigen, wenn Sie doch misstrauisch von den Umstehenden beäugt werden? Betont langsam. Sie werden noch mehr hinken. Sie werden Ihr Leiden verstärken. Und dieses Verhalten bahnt sich neuronal. Wird zu immer stärkerer neuer Wirklichkeit.

Drum lese ich hocherfreut und sehr erstaunt von einem Kooperationsvertrag. Zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Ziel: "Arbeitslose für die eigene Gesundheit zu sensibilisieren und stärker zur Teilnahme an Präventionsangeboten zu motivieren." Der BA-Vorstand Heinrich Alt sagt wörtlich: "Es gilt, den Teufelskreis Arbeitslosigkeit und Krankheit zu durchbrechen." Er weiss nämlich, dass jeder dritte Hartz-IV Empfänger unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet.

Ist das nicht sensationell?

Hier wird die Eigenverantwortung angesprochen. Von Behörden. Mit dem Ziel, einen Teufelskreis zu durchbrechen. Mit dem Ziel, Erwerbslose "Fit zu machen für den Arbeitsmarkt". Angeboten werden Bewegungskurse und Kurse zur Stressbewältigung.

Kompliment und dickes Lob.