Heißt schlicht Schmerzen. Hässliche Muskelschmerzen in der Wade. Beim Laufen. Diagnose nicht ganz leicht. Kommt häufig vor beim Wohlstandsläufer.

Wohlstandsläufer! Was für ein wunderbares Wort. Stammt aus dem Zitat: „… und stampft nicht ungelenk mit der Ferse auf, wie es Wohlstandsläufer in butterweich gepolsterten Schuhe angewöhnt haben“ (Phil Maffetone). Aber lassen Sie mich einfach weiter zitieren:

    „Wohlstand kann allerdings auch bedeuten: Schmerzen beim Laufen. Weil sinnlos trainiert wird. Genetisch nicht korrekt. Das führt zu Muskelschmerzen in der Wade, Das so genannte chronische funktionelle Kompartmentsyndrom im Unterschenkel ist das Ergebnis einer Überbelastung, die bei Leistungs- oder Hobbysportlern nach langen Läufen auftreten kann. Und bei Soldaten nach langen Märschen.

    Durch das Übertraining kommt es zu einer vermehrten Ansammlung von Flüssigkeit in er Muskulatur. Das passiert, weil der Körper mehr Sauerstoff haben will, die Muskeln deshalb mehr Wasser aus dem Blut aufnehmen, in der Folge das Blut verdickt und die Erythrozyten-Konzentrationsteigt. So kann tatsächlich mehr Sauerstoff transportiert werden – allerdings gelingt es dem Muskel in einigen Fällen nicht, die zusätzlich aufgenommene Flüssigkeit wieder loszuwerden.

    Kommt der Muskel mit seinem Platz nicht mehr aus, dann erhöht sich der Druck, dann wird der Muskel eingeklemmt, gequetscht. Das tut weh, das kribbelt, manchmal kommt es sogar zu Taubheitsgefühl. Dagegen ist kaum ein Kraut gewachsen: Hochlagern hilft nicht, passive Bewegung (Massage!) schmerzt, Stretching, Elektrotherapie, Behandlung mit Entzündungshemmern – das alles hilft nicht zufriedenstellend.

    Abhilfe? Operation. Faszien aufschneiden – also das Bindegewebe, das den Muskel fest umhüllt und das bei vernünftigem Training mitwächst. Bei unvernünftigem Übertraining aber eben zu eng wird wie eine zu klein gewordene Socke. Die OP nimmt erst einmal den Druck, etlichen Patienten geht es nach dem Eingriff langfristig nicht besser. Und jetzt? Macht die Medizin glücklicherweise doch Fortschritte.

    Eine Gruppe von Militärärzten des Keller Army Community Hospital, West Point, New York, testete im Jahr 2012, ob sich das Kompartementsyndrom mit Vorfußlauf heilen lässt. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja. Das funktioniert.

    Für die medizinische Studie brachten die Forscher zehn betroffenen Soldaten die Technik des Vorfußlaufens bei. Dann wurden die Laufstrecken verlängert und die Laufgeschwindigkeit erhöht. Und siehe da: Ein Jahr nach der Einführung des neuen Laufstils berichteten alle Teilnehmer, sie könnten wieder normal Sport treiben, und das schmerzfrei!

    Die durchschnittliche Laufstrecke hatte sich um 300% erhöht. Der erhöhte Druck im Muskel sank von 78,4 auf 38,4 Millimeter-Quecksilbersäule. Die Ärzte machen das bewusste und schonend eingeführte Vorfußlaufen für diese Heilung verantwortlich. Das Vorfußlaufen kann auch bei anderen Knie- und Fußgelenksproblemen oder auch bei Ermüdungsfrakturen zur Heilung beitragen, so die Einschätzung der New Yorker Wissenschaftler (Diebal AR et al, 2012):

Die so präzise Erläuterung, wie es zum Kompartementsydrom käme, war mir neu. Wieder was gelernt. Aber wie so häufig: Mich interessiert immer weniger die Vergangenheit. Ich habe die Beschwerden jetzt, möchte sie jetzt loswerden. Was ist zu tun? Mich interessiert immer mehr der Ausweg.

Der Ausweg hier? Epigenetik. Genetisch korrektes Verhalten. Vorfußlaufen. Wenn das sogar der Elefant tut… (schon vergessen? Vorsichtshalber das schöne Bild noch einmal anbei)

Quelle: „Der Schlüssel zur Gesundheit“ bei Heyne. Erscheint Herbst 2016.

Kompartment-Syndrom