Wie die meisten abendländischen Menschen sind auch Sie, bin auch ich ein gut trainierter Hermeneutiker: Jedes Problem hat seine Ursache. Und nur wenn man die Ursache erkannt hat, so glauben wir, ist eine Wendung zum Besseren möglich. So ist unser Denken geschult.

Heißt in der Praxis? Wir analysieren. Wir analysieren beispielsweise, warum der Abend zu zweit wieder mal schief lief. Wir analysieren, weshalb Straßen und Brücken in Deutschland in so schlechtem Zustand sind. Analysieren, weshalb es uns heute so schlecht geht… Ach Du meine Güte!

Lassen Sie das!

Lassen Sie doch mal das uralte Abendland hinter sich und gucken Sie nach vorne. Es gibt modernere Möglichkeiten, mit dem Leben fertig zu werden. Darf ich?

Stellen Sie sich vor, es würde über Nacht ein Wunder geschehen. Sie wachen auf und – das Problem ist verschwunden. Das Problem, dass Sie die ganze Zeit so quält. Jetzt kommt’s: Woran würden Sie merken, dass sich so ein Wunder ereignet hat? Wie fühlt sich denn dieser neue Zustand an? Merken Sie etwas? 

Auch wenn wir nicht wissen, wie das Problem jemals gelöst werden könnte, so haben wir doch eine untrügliche Wahrnehmung dafür, wie es sich anfühlt, wenn das Wunder eingetreten ist.

Und dann passiert’s. Kann es passieren. Das Wunder tritt tatsächlich ein. 

Ich nenne das Ganze: Träumen. Lassen Sie das mit der Analyse. Mit der Selbstquälerei. Träumen Sie lieber – überlassen Sie die Arbeit, die Lösung jemand anderem, nämlich dem Unterbewusstsein. Nur: Das muss eben erst mal wissen, was Sie wirklich wollen.

Und dazu müssen Sie träumen. Müssen – Sie kennen das alles – das Türchen zum Unterbewusstsein öffnen, das Neue, das Erwünschte, das Traumbild, die Lösung hinunterschubsen und abwarten.

Das Unterbewusstsein ist die stärkste gestaltende Kraft Ihrer Existenz. Sie nutzen es mir zu wenig. Sie sind zu vernünftig. Sie sind zu sehr Analytiker. 

Sie sind eben Hermeneutiker. Klingt doch gut, oder?

Quelle: Wunderschöne Gedanken von Elke Schmitter, Spiegel 33/2014