Chiara ist ein zierliches, blasses, junges Mädchen, 17 Jahre alt und mit dem großen Drang, die Welt zu verbessern. Ich lächle in mich hinein und erkenne mich wieder. Auch ich wollte in diesem Alter die Welt verändern.

Chiaras Mutter ist schon länger bei mir Patientin. Besorgt hat sie mir ihre Tochter geschickt. Sie komme morgens überhaupt nicht mehr aus dem Bett, sei absolut schlapp und müde, könne sich immer schlechter konzentrieren, habe Haarausfall und in letzter Zeit sei ihr auch ständig schwindelig.
„Waren Sie schon beim Arzt?“ frage ich. „Ja, sagt die Mutter, der sagt, es sei alles in Ordnung, sie sei nur viel zu dünn und solle mal etwas mehr auf die Rippen bekommen.“

Chiara ist wirklich sehr schlank, bei einer Größe von 1,73 m wiegt sie nur 49 kg, das entspricht einem BMI (Body Mass Index) von 16. Ihr Körperfettanteil liegt bei 12%, doch Chiara wirkt dabei nicht trainiert, im Gegenteil, es fehlt ihr an „Muckis“.
„Machst Du irgendetwas an Sport?“ frage ich. „Nur das, was wir in der Schule machen müssen, und der Unterricht fällt ständig aus. Ist mir aber ganz recht so. Ich mag sowieso keinen Sport. Dazu kann ich mich einfach nicht aufraffen.“

Chiara ist sehr tierlieb. Aus diesem Grunde hat sie schon mit 12 Jahren aufgehört Fleisch und Eier zu essen. Mit 14 dann wurde sie vegan, verzichtete auch auf Milchprodukte, Honig, Leder, Wolle und Daunenbetten. Sie engagiert sich in der “Grünen Jugend“.
„Da sind auch alle vegan. Auch wegen des Klimas.“ meint sie.

Ich schaue auf den Befund des Hausarztes. Was wurde gemacht? Ein kleines Blutbild.

Hier die Ergebnisse (Normwerte = schulmedizinische Normwerte!)



Chiara hat also einen sehr niedrigen Hämoglobinspiegel, gerade so eben noch im Referenzbereich des Hausarztlabors. Also vermeintlich normal.
Der TSH Wert ist auch gerade eben noch im schulmedizinisch unauffälligen Bereich, spricht aber schon für eine wahrscheinliche Unterfunktion (subklinische Hypothyreose). Der Cholesterinspiegel ist erwartungsgemäß niedrig, klar, wenn jemand jung ist und gar keine tierischen Fettquellen nutzt. Warum wurde das überhaupt gemessen frage ich mich? Da wären doch andere Werte viel wichtiger gewesen …

„Hast Du eine starke Monatsblutung?“ frage ich Chiara. Sie nickt. „Ja, wenn ich meine Tage habe gehe ich noch weniger raus als sonst. Ich habe immer ziemliche Bauchschmerzen, liege dann nur mit Wärmeflasche auf dem Bauch in meinem Bett und muss sehr oft meinen Tampon wechseln.“

Ich habe genug gehört und beschließe, Chiara jetzt erstmal vernünftig durchzumessen. Vor dem Pikser noch schnell den Blutdruck gecheckt, sehr niedrig 100 : 60, wie so oft bei jungen, dünnen Mädchen. Ich entscheide mich, ihr das Blut im Liegen abzunehmen. Nicht, dass mir das Mädel noch umkippt. Aber Chiara ist tapfer und alles geht gut. Sie bekommt ihre Hausaufgaben: Schreibe an 7 repräsentativen Tagen ALLES auf, was Du isst und trinkst!

8 Tage später sehen wir uns wieder, die Mama ist mit dabei. Die Blutuntersuchung zeigt das, was ich gerne als „Mangel auf zwei Beinen“ bezeichne. Unterirdisch niedrige Werte an Vitamin D, Vitamin B12, Folsäure, Selen, Zink und Calcium. Omega-3 Fettsäuren viel zu niedrig, dabei aber ein deutlich zu hoher Arachidonsäurewert (AA) bei den Omega-6 Fettsäuren. Alle Aminosäuren defizitär und ein Ferritinwert (Eisenspeicher) von gerade mal 6 ng/ml.

„Aber wie kommt denn das?“ meint Chiara entsetzt. „Ich lebe doch so gesund!“

Gemeinsam schauen wir auf das Ernährungsprotokoll.
Tatsächlich, Chiara isst beinahe täglich Salat und Obst. Jedoch insgesamt nicht viel.
1 Banane, 1 Apfel, 1 kleine Portion Salat, ein wenig Tomate, ab und zu mal eine Avocado.
Da kommt schon von der Menge einfach nichts zusammen.

Und der Rest? Vornehmlich Kohlenhydrate in Form von Nudeln (ohne Ei), Toastbrot oder Brötchen („aber Vollkorn“), vegane Nuss-Nougat Creme (ohne Milchpulver), vegane Fleischersatzprodukte, Hafermilch bis hin zu veganen Müsliriegeln, veganen Keksen und Gemüsechips. Getrunken wird viel Obstsaft („alles aus dem Bioladen“) und ab und zu mal ein gekaufter Früchte-Smoothie. Vormittags in der Schule gibt es immer eine Tüte vegane Süßigkeiten („Nervennahrung“) von einem sehr bekannten Bonner Süßwarenunternehmen (Yes, Yes, Yes - Sie denken richtig!).

Die Eiweißquellen sucht man in diesem Ernährungprotokoll vergeblich, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sind in den gekauften Lebensmitteln auch kaum vorhanden. Chiara lebt eigentlich nur von Zucker. Der bringt ihren Blutzuckerspiegel zwar kurzfristig nach oben, die Bauchspeicheldrüse spuckt aber zur Gegenregulation ganz viel Insulin aus, wodurch sie wieder in eine Unterzuckerung gerät. Folge: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche.

Wir stellen den Speiseplan von Chiara daher grundlegend um. Selbstverständlich akzeptiere ich ihre Entscheidung vegan bleiben zu wollen, aber bitte mit Sinn und Verstand. Es wird jetzt mal daheim richtig gekocht und zwar nicht nur Nudeln!

Ab jetzt gibt es Hülsenfrüchte, Gemüse jeder Art (am besten als Stampf, damit auch von der Menge was zusammenkommt), https://www.strunz.com/news/wie-machen-sie-das-bloss.html Tofu, Nüsse (als „Studentenfutter“ für die Schule) und Nussmus für köstliche Saucen. Die Obstsäfte werden durch Gemüsesäfte ersetzt. Sprossen und Keime werden im Sprossenglas auf der Fensterbank selber gezogen!

Und es wird auch gebacken: vegane Brötchen und Plätzchen mit Haferflocken, Amaranth, Quinoa und vielen Ballaststoffen (Chiasamen, Flohsamenschalen, Leinsaat). Täglich einen Eiweißshake aus veganem Eiweißpulver (ja gibt es, ist zwar nicht ganz so lecker wie das andere, aber gut trinkbar.) Wichtig auch: ein Ölwechsel! Weg mit dem ungünstigen Sonnenblumenöl (findet man u.a. in Hafermilch und Fleischersatzprodukten!), hin zu Leinöl, Kokosfett und Olivenöl. Algenöl als wichtige maritime Fettsäure kommt noch obendrauf.

Dazu gibt es genau die Stoffe, die wir im Blut als mangelhaft erkannt haben als Tablette. Vitamin B12 spritze ich Chiara noch in der Praxis.

Sofortigen Handlungsbedarf gibt es bei der Eisenversorgung. Warum? Eisenmangel macht nicht nur schlapp und müde, es ist notwendig für die Blutbildung und ein Mangel führt zu SCHWINDEL.

https://news.cision.com/de/eisencheck-at/r/wenn-sich-alles-dreht,c2472837

Mit einem Ferritinspiegel von 6 ng/ml kann man weder mit roter Beete, noch mit Eisentabletten etwas erreichen. Da muss das Eisen schon per Infusion in den Körper gebracht werden. Chiara erhält daher drei Eisen-Infusionen im Abstand von je einer Woche in einer Arztpraxis meines Netzwerkes. Nach diesen drei Infusionen liegt ihr Ferritinwert bei 160 ng/ml.

https://www.strunz.com/news/geheimnis-eisen.html

Nach 6 Wochen sehen wir uns wieder. Und, was soll ich sagen?
Da steht ein anderer Mensch vor mir. Chiara strahlt, dynamisch nimmt sie die drei Stufen zu meiner Praxistür. „Mir geht es so viel besser!“ berichtet sie. „Schon nach der ersten Eiseninfusion habe ich eine Veränderung gespürt. Ich habe alles umgesetzt, und meine Eltern und ich kochen jetzt jeden Tag gemeinsam. Mama und Papa essen zwar zwischendurch weiter Fleisch, aber insgesamt viel weniger. Und uns allen schmeckt es! Mein Haarausfall ist weg und ich kann mich in der Schule viel besser konzentrieren. Schwindelig war mir kein einziges Mal mehr.“

So oft sage ich an dieser Stelle: Ich liebe meinen Beruf.
Wenn Patienten so toll mitmachen und dann auch Erfolge eintreten, macht mir das einfach Spaß. Und dafür muss ich meinen Patienten auch nicht meine Ernährungsphilosophie überstülpen, sondern einfach gemeinsam mit ihnen die Nahrungsmittelauswahl optimieren. Auch Veganer können pumperlgesund sein, wenn sie es richtig machen.

Vegan mit Charme eben!


Über die Autorin:


"Die Biologin Ursula Bien, Jahrgang 1963, ging nach ihrer Zeit am Institut für Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich in die Pharmaindustrie und war zuletzt 15 Jahre lang Geschäftsführerin eines kleinen forschenden Pharmaunternehmens. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag dabei immer im Bereich der Hämatologie und Onkologie (Blutkrebs, Stammzelltransplantation, Tumore). Motiviert durch Fragen krebskranker Patienten, begann sie sich mit alternativen und komplementären Therapieverfahren zu beschäftigen. Sie absolvierte eine Zusatzausbildung als Heilpraktikerin und bildete sich über viele Jahre intensiv zu den Themen orthomolekulare Medizin und Ernährungsmedizin weiter. Nicht zuletzt durch den wissenschaftlichen Austausch mit Dr. med. Ulrich Strunz fand sie zum Thema Epigenetik und Bluttuning. Mittlerweile gibt sie die „Strunzsche Philosophie“ in eigener Praxis voller Überzeugung auch an ihre Patienten weiter.
Das sagt sie selbst zu ihrer Tätigkeit:

„So sinnvoll die Schulmedizin in vielen Bereichen auch ist, darf es bei chronischen Erkrankungen nicht das Ziel sein, Symptome zu unterdrücken. Es gilt, die Ursachen einer Erkrankung zu finden und abzustellen. Was durch Ernährungsumstellung, gezielte Zufuhr fehlender Mikronährstoffe und Bewegung erreicht werden kann, ist immer wieder verblüffend. Ich bin Dr. Strunz für das, was ich von ihm lernen durfte unendlich dankbar und freue mich für jeden Menschen, der am eigenen Leibe erfahren darf, dass manche Krankheiten nicht nur Schicksal sind.“