Als noch junge, gerade niedergelassene Heilpraktikerin hatte ich vor 20 Jahren das Glück Dr. med. Heinrich Kremer zu begegnen und von ihm viel lernen zu dürfen. Dieser Arzt hat meine Arbeit ähnlich geprägt wie Dr. med. Ulrich Strunz.

Seine Arbeit war vor allem geprägt von der Evolutionsbiologin Lynn Marguilis (1938-2011), der Begründerin der Endosymbiontentheorie, mit der er bis zu ihrem Tode in Kontakt stand. Die Endosymbiotentheorie besagt, dass eukaryote Zellen und ihre Organellen, wie unsere Körperzellen mit einem echten Zellkern, aus einer Symbiose diverser Zellen entstanden sind.

Besonders die Mitochondrien erinnern in ihrem Aufbau und ihrer Form stark an Stäbchenbakterien. Mitochondrien haben eine Doppelmembran und eine eigene mitochondriale DNA. Seit dem berühmten Artikel im SCIENTIF AMERICAN („Powerhouse of the Cell“) im Jahr 1957 werden sie vor allem als Zellkraftwerke wahrgenommen, denn sie produzieren den Großteil unserer Lebensenergie, auch ATP genannt. Mitochondrien können aber noch so viel mehr, hier eine kleine Auswahl:


  • Synthese der Steroidhormone DHEA und Pregnenolon
  • Einleitung der Apoptose (natürlicher Zelltod)
  • ß-Oxidation (Verstoffwechselung) der Fettsäuren
  • Synthese von Ketonkörpern

Dr. Kremers medizinische Lehren standen für einen damals ganz neuen Blickwinkel auf chronische Erkrankungen. Er lehrte mich bei meiner Arbeit mit chronisch Kranken stets auch einen Blick auf die Funktion der Mitochondrien zu haben. Begriffe, die ich nur aus dem Biologieunterricht kannte, wurden schnell zu meinem täglichen Handwerkszeug: Laktat/Pyruvat-Ratio, Anaerobe Glykolyse, Pyruvat-Dehydrogenase, Citratzyklus und natürlich die Atmungskette.

Vor 20 Jahren waren die kleinen Zellkraftwerke noch nicht in aller Munde. Kaum jemand – außerhalb der Elfenbeintürme der Wissenschaftler - wusste um ihre Bedeutung für die Prävention und Therapie von Krankheiten. Und nur eine kleine Gruppe von Therapeuten kümmerte sich damals um die Mitochondriengesundheit. Diese kleine Gemeinschaft wurde mit den Jahren immer größer.

Als der SPIEGEL im Jahr 2017 Therapeuten als „Quacksalber“ beleidigte, die es wagten Maßnahmen, wie … „Ernährungsumstellung, weniger Stress, mehr Bewegung und mehr Schlaf ... vor allem eine Therapie mit Spurenelementen, Vitaminen und teuren Nahrungsergänzungen, wie Coenzym Q10.“ anzuwenden, wussten wir Therapeuten, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Denn wir konnten bereits damals objektive Laborparameter vorweisen, die den jeweiligen Erfolg einer Therapie belegen konnten. Die Laboranalysen sind mit den Jahren immer genauer und spezifischer geworden.

Im Jahr 2004 hatten wir Parameter, wie Laktat-Pyruvat-Ratio, LDH-Isoenzyme oder M2-Pyruvatkinase, die einen Hinweis auf eine Mitochondrienstörung gaben, aber sehr anfällig für Fehler waren und auch zu unspezifisch, um sie wirklich als Laborwerte für eine mögliche mitochondriale Dysfunktion werten zu können.

Mittlerweile können wir durch eine einzige Blut-und Urinanalyse die verschiedenen funktionellen Strukturen der Mitochondrien beurteilen, z. B. die Qualität der Zellmembran, die einzelnen Schritte des Citratzyklus, der die notwendigen Substrate für die ATP-Synthese in der Atmungskette liefert und natürlich die ATP-Synthese selbst.

Seit Beginn meiner Tätigkeit als Heilpraktikerin bin ich eine starke Verfechterin von Labordiagnostik. Sie schafft klare Fakten, Vergleichbarkeit und Objektivität und vor allem eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Meinungen einzelner Journalisten.


Quellen:
https://www.spiegel.de/spiegel/mitochondrien-quacksalber-missbrauchen-die-serioese-forschung-a-1167104.html

Chacko BK, Zhi D, Darley-Usmar VM, Mitchell T. The Bioenergetic Health Index is a sensitive measure of oxidative stress in human monocytes. Redox Biol. 2016 Aug;8:43-50. doi: 10.1016/j.redox.2015.12.008. Epub 2015 Dec 24. PMID: 26748041; PMCID: PMC4712317.
Chacko BK, Kramer PA, Ravi S, Benavides GA, Mitchell T, Dranka BP, Ferrick D, Singal AK, Ballinger SW, Bailey SM, Hardy RW, Zhang J, Zhi D, Darley-Usmar VM. The Bioenergetic Health Index: a new concept in mitochondrial translational research. Clin Sci (Lond). 2014 Sep;127(6):367-73. doi: 10.1042/CS20140101. PMID: 24895057; PMCID: PMC4202728.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.