Eine dumme Erfindung. Der Gegenwind. Da bewältigen zwei Menschen, zum Beispiel Sportler, die gleiche Aufgabe. Sagen wir, einen 10 km-Lauf. Der eine mit Gegenwind, der andere mit Rückenwind. Sieht der Betrachter ja gar nicht. Aber die Laufzeit… gravierender Unterschied. Und intuitiv wird behauptet: Der eine ist gut, der andere schlecht.

Stimmt gar nicht. Gegenwind.

Genau solche Lebensläufe gibt es, wie Sie wissen. Hat schon Hölderlin besungen. Die da oben im Lichte. Dagegen wir, die da unten im Gegenwind. Das wirklich Dumme an der Geschichte ist aber, dass wir uns den Gegenwind oft

selbst machen

durch einen gar seltsamen Trick. Hat mich meine zähe, kleine Frau darauf gebracht. In den letzten Wochen – herrliches Wetter – täglich 4 Stunden Kraftausdauer. Also mit dem Bike am Kanal entlang. Kein Straßenverkehr, gerade Schotterwege, wunderschöne Landschaft. Am Kanal hat man entweder Rückenwind oder Gegenwind. Weil er ja wie eine Schlucht wirkt.

Fahren wir los mit Rückenwind von 20 km/h. Das merkt man. Was tut meine muskelstarke Frau? Die fährt etwa 30 km/h. Heißt also: Schneller als der Rückenwind. Bedeutet netto

Gegenwind

Aus Rückenwind wird also Gegenwind, wenn Sie zu sehr Gas geben. Wenn Sie sich zu sehr anstrengen. Wenn Sie zu verbissen kämpfen auf dieser Welt. Noch einmal ganz langsam:

Sie hätten ja Rückenwind. Der liebe Gott meint´s ja gar nicht böse mit Ihnen. Und was tun Sie? Sie machen sich selbst Gegenwind. Statt also das Leben zu genießen, vermiesen Sie es sich.

Die übliche Leier, die üblichen Klagen: Das Leben sei hart, anstrengend, ungerecht. Sie seien erschöpft, ohne Energie, können nicht mehr schlafen…. Erkennen Sie sich wieder?

Was tun? Jetzt beginnt die Kunst. Sie sollten sich im Leben mäßig, aber eben nicht übermäßig anstrengen. Diese Schwelle herauszufinden, ist nicht so ganz leicht. Denn das Prinzip gilt ja nicht nur für Sport (da ist´s einfach), sondern auch für Ihr Berufsleben. Für den  Alltag. Für den Umgang mit Ihren Kindern, Ihrem Partner.

Eine gewisse Lässigkeit, eine bewusste Zurückhaltung, ein Eher-mal-hinnehmen… Sie verstehen langsam.

Das eigentliche Problem ist, dass Sie, jedenfalls wir Deutsche, auf Überanstrengung programmiert sind. Mit 5 Jahren, schon vor der Schule, mussten wir lesen lernen. Zahlen kennen. Im Sport wollen wir… Erster sein. Was sonst? Besonders plastisch hatte ich Ihnen das einmal im Seminar deutlich gemacht.

Das Kind ist endlich eingeschlafen. Sie verlassen das Schlafzimmer. Und schließen jetzt die Tür. Wollen die Klinke möglichst leise herunterdrücken und das Schloss geräuschlos einschnappen lassen. Kinderleicht. Kaum Kraftaufwand. Nur wenige Gramm, so eine Klinken-Spannung. Und was tun Sie?

Pressatmung. Roter Kopf. Völlig verspannte Hand-Arm-Schultermuskeln. Mit außerordentlichem Kraftaufwand bewegen Sie die Klinke möglichst leise und zentimeterweise.

Sie könnten das mit zwei Fingern erledigen. Sind aber anders…. programmiert. Genau das meine ich.

Gegenwind. Unser Leben. Hätten Sie gerne Rückenwind? Bräuchten Sie sich gar nicht darum kümmern. Bräuchten Sie nicht „erzeugen“. Der ist oft nämlich schon da. Sie merken´s bloß nicht, weil Sie ihn ….überholt haben. So wie meine zähe kleine Frau.

Verständlich. Die hat soeben die Mitte des Lebens erreicht (News vom 31.05.2014)  und möchte jetzt nach all dem Training und Lernen endlich…. anwenden. Ihr Können nutzen. Heißt ganz banal: Ihrem treusorgenden, vorgealterten Ehemann mal zeigen, wo Barthel den Most holt. Falls Sie diesen bayrischen Ausdruck verstehen.

In diesem Moment können Sie sich mich als glücklich lächelnd vorstellen.