Sitzt vor mir ein Doktor. Krebs. Lebermetastasen. Das würde seine Seele kränken. Übersetzt: Er sei depressiv, niedergeschlagen. Nun, denk ich mir, eigentlich doch eine Selbstverständlichkeit. Wäre ich genauso. Und Sie liebe Leser, auch.


Erinnern Sie sich? Ein Gutachter, ein Jahr nach meinem Unfall. Also Schmerzen, Lähmungen etc. Der listige Psychiater im Seniorenalter wörtlich zu mir „Wenn Sie in diesem Zustand nicht depressiv werden, dann sind Sie krank“. Goldene Worte. Danke!


Wie jeder Arzt in Deutschland möchte auch ich depressiven Menschen helfen. Die Depression vertreiben. Erkläre dem Patienten, dass Psychiater hier einen sehr klaren, überlegten, logischen Zugang haben. Wollen ein bestimmtes Molekül im Gehirn anreichern, verstärken. Nämlich Serotonin. Und das tun sie mit den gängigen Tabletten.


Von denen die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie festgestellt hat, dass sie in 35% helfen. Ein Placebo aber nur in 30%. Bleibt Nettoeffekt 5%. Zum ersten Mal: Oh Ihr Menschlein…!


Wir gehen den gleichen Weg. Wir verstärken ein Molekül in Ihrem Gehirn. Serotonin. Das kann man essen in Form von Tryptophan (+ Magnesium + Vitamin D + Zink… Sie sollten Professor Ames wirklich lesen). Dann gucken Sie mich immer so ungläubig an. Mit so ein paar NEMs… eine Depression heilen?

Wenn das ja nicht einmal der Psychiater kann? Oh Ihr Kleingläubigen…!

Also versuche ich Ihnen das überzeugend, Sie überzeugend zu erklären. Das geht ganz einfach. Stichwort Kokain. Lieblingsspeise von tausenden kreativen Geistern, auch eines Sigmund Freud. Also erkläre ich meinem Gegenüber:


Wenn Sie jetzt die Möglichkeit hätten, Kokain zu schnupfen, wäre Ihnen die nächsten drei Stunden mit Sicherheit geholfen. Sie wären fröhlich, leistungsstark, frei von trüben Gedanken. Stimmt´s?


Zuständiges Nicken. Das leuchtet ein. Sehen Sie, sag ich dann, genau dieses Kokain-Molekül können wir imitieren, nachahmen, wenn auch nicht so effektiv. Aber meinen Patienten genügt es in der Regel. Könnten Sie ja in den News (Dankesbriefe von Depressiven) nachlesen.

Soweit die Einleitung.

Jetzt kommt´s erst: Der Doktor verlässt mein Sprechzimmer, betritt das Labor und verkündet dort auf Befragen das, was er sich gemerkt hat. Doktor Strunz hat mir gesagt, ich solle


  • auf Kohlenhydrate verzichten (wegen des Krebses).
  • Kokain schnupfen (wegen der Depression).

Nein, ich lächle jetzt nicht. Ich nehm´ das leider todernst. Mein Fehler. Da erhebe ich mich oft genug über Kollegen mit der Mahnung, man solle als Arzt auf seine Worte ganz besonders achten. Die haben nämlich Folgen. Und jetzt, und hier, und heute früh hab ich den gleichen Fehler gemacht.

PS: Jemand meint ´s gut mit mir. Zum Ausgleich gleich hinterher ein junger Mann, Marathon 2:40h, Triathlon 9:12h, also Hochleistungssportler. Morbus Crohn. Hässliche Fisteln. Fisteln, nach außen offen. Dem die Ärzte gesagt hatten: Das werden Sie nie mehr los.

Wir haben uns in die Augen geguckt und ich hab ihm versprochen: Sie werden gesund. Nächstes Jahr auf nach Hawaii. Da gab´s kein Missverständnis.