das weiß jeder Journalist. Denn nur an Negativschlagzeilen bleibt das Auge des Lesers hängen, nur dann liest man (vielleicht) den gesamten Artikel.

Ein gefundenes Fressen für viele Redakteure wird daher die Tatsache sein, dass am 16. November seitens des BfArM (das ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) ein so genannter „Rote Hand Brief“ an Ärzte, Apotheker und Heilpraktiker herausgegangen ist. Dieser Warnbrief trägt den Titel „Omega-3 Fettsäure-haltige Arzneimittel: Dosisabhängig erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren“. Ich kann mir schon jetzt die Schlagzeilen der nächsten Wochen in der Laienpresse ausmalen…


Tatsächlich gab es schon wenige Stunden nach dieser Veröffentlichung in meiner Praxis den ersten besorgten Telefonanruf. „Um Gottes Willen, Frau Bien“ sagte mir eine Patientin mit einem versteckten Vorwurf in der Stimme. „Haben Sie das gelesen? Und Sie behaupten doch immer Omega-3 Fettsäuren seien so gesund!“


Und da in den nächsten Wochen ganz sicher viele selbst genannte „Wissenschaftsredakteure“ irgendwelche Halbwahrheiten in den Medien verbreiten werden, folgt hier ein Kommentar zur Einordnung dieses Warnbriefes.


Zunächst einmal: In diesem „Rote Hand Brief“ geht es erstmal nicht um Fisch- oder Algenöle in flüssiger oder Kapsel-Form, sondern um Omega-3 -Fettsäure-haltige Arzneimittel. In Deutschland sind drei entsprechende Produkte in Form von Weichkapseln zugelassen: eines unter dem Handelsnamen OMACOR (hier gibt es mittlerweile ein Generikum von Ratiopharm) und ein weiteres unter der Bezeichnung ZODIN. Bis 2020 waren es verschreibungspflichtige Medikamente, d.h. man konnte diese nicht einfach so in der Apotheke kaufen, sondern benötigte dazu ein ärztliches Rezept. Heute sind sie in der Apotheke jedoch frei erhältlich. Diese Pharmazeutika werden Patienten empfohlen, welche deutlich erhöhte Trigyceridwerte (= freie Fettsäuren) im Blut haben.


Nur aus reiner „Nickeligkeit“ (kennt eigentlich jeder das Wort oder ist das Ruhrpottdeutsch?) sei hier mal kurz erwähnt, dass man erhöhte Triglyceridwerte hocheffektiv durch eine strikte „low carb“, besser „no carb“ Diät senken kann. Ich erlebe in meiner Praxis dadurch oft einen Sinkflug von 600 mg/dl auf 100 mg/dl innerhalb von 4-6 Wochen.

Aber zurück zum Thema: Zunächst einmal - was ist überhaupt Vorhofflimmern (VHF)? Hierbei handelt es sich um eine Herzrhythmusstörung, bei der die Vorhöfe des Herzens nicht im normalen Takt, sondern unregelmäßig und zu schnell schlagen, sie „flimmern“. Hier ein sehr schönes und anschauliches Video zu diesem Phänomen: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/vorhofflimmern/hintergrund.

Ein VHF ist zwar keine akute lebensbedrohliche Situation, aber infolge des in den Vorhöfen „stockenden“ Blutes können sich Gerinnsel bilden, welche - sofern sie weiter ins Hirn transportiert werden - zu Schlaganfällen führen können.

Sensible Menschen sind durchaus imstande solche Pumpunregelmäßigkeiten zu spüren, ein Großteil der Menschen spürt sie jedoch nicht. Ihre Smart Watch kann VHF übrigens verblüffend zuverlässig anzeigen, insofern ist ein solches „Selftracking“ durchaus sinnvoll und wird sogar von der Deutschen Herzstiftung empfohlen (https://herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzrhythmusstoerungen/vorhofflimmern/vorhofflimmern-diagnose-smartwatch).

Nun warnt der „Rote Hand Brief“ davor, dass Omega-3 Fettsäure-haltige Arzneimittel bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren das Risiko für Vorhofflimmern erhöhen könnte.


Bitte beachten: Es geht hier also um eine Therapie kranker Menschen mit klaren Vorerkrankungen des Herzens (z.B. Herzschwäche, Bypass-Patienten, Herzinfarkt, Herzklappenproblemen etc.) bzw. bekannten Risikofaktoren (z.B. Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Arteriosklerose, Homocystein und Lipoprotein(a)-Erhöhung etc.), nicht um Prävention bei gesunden Menschen.


Und es geht eben nicht um Fischöl, sondern um Arzneimittel mit so genannten Omega-3-Säureethylestern. Was ist das nun schon wieder? Inhaltsstoff solcher Arzneimittel sind Gemische aus halbsynthetisch gewonnenen langkettigen, mehrfach ungesättigter Fettsäuren, welche aus dem Öl fetter Fischarten gewonnen werden. Durch dieses chemische Verfahren können die im Fisch pharmakologisch wirksamen Substanzen (EPA, DHA) sauber isoliert, aufgereinigt und besonders hoch konzentriert werden. In der Natur würde man sie in dieser angereicherten Form niemals finden, zudem enthalten diese Medikamente im Gegensatz zu natürlichem Fischöl keine Triglyzeride mehr.

Der aufwendige Herstellungsprozess garantiert jedoch ein schadstofffreies Produkt mit einer exakt definierten Dosierung pro Kapsel. Sehr wichtig, wenn man in der Medizin klinische Studien durchführen möchte. Und die Kapseln sind jedoch vor allem eins: patentierbar! Nur so lohnen sich die enorm hohen Kosten für die Zulassung eines Medikamentes für ein forschendes pharmazeutisches Unternehmen.

Dies ist auch der Grund dafür, warum es niemals klinische Studien mit „normalem“, also natürlichem Fischöl geben wird. Die Qualität und Zusammensetzung der natürlichen Fischöle sind einfach zu schwankend, teure Zulassungsstudien für kleine Nahrungsergänzungsmittelhersteller nicht zu stemmen und auch sinnlos, da man natürliche Öle nicht patentieren kann.

Für uns ist nicht neu, dass in Meta-Analysen aus kardiovaskulären Studien ein vermehrtes Auftreten von Vorhofflimmern beobachtet wurde, was auf eine Überdosierung von EPA-Fettsäuren zurückgeführt wurde (Jia et al.). Mehr Schlaganfälle – und die sind ja die eigentliche Gefahr bei VHF – gab es in diesen Studien interessanterweise nicht. Zu wenig Omega-3-Fettsäuren lösten aber ebenfalls Vorhofflimmern aus, was leider im „Rote Hand Brief“ mit keiner Silbe erwähnt wurde.

Heute wissen wir, dass es beim Vorhofflimmern unter dem Einfluss von Omega-3-Fettsäuren einen U-förmigen Verlauf gibt (Tribulova et al.). Soll heißen: es gibt einen Idealbereich, in dem wir das geringste Risiko haben ein VHF zu entwickeln. Wer darüber liegt, hat ein erhöhtes Risiko für VHF, wer darunter liegt eben auch:



Die Mehrheit der Studien zeigten auch, dass – sofern man sich nachweislich im Optimalbereich aufhält – das Risiko eine Noteinweisung ins Krankenhaus, einen Herzinfarkt, Herztod oder instabile Angina pectoris zu bekommen, deutlich verringert ist.

Was sind also die Lehren, die wir aus dieser Diskussion ziehen können?


  • Jeder Patient mit Herzerkrankungen sollte sich regelmäßig bei seinem Kardiologen untersuchen lassen und versuchen, Risikofaktoren zu minimieren (Stichwort: Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel etc.). Sobald Sie merken, dass etwas mit Ihnen nicht stimmt, bitte SOFORT ab zum Arzt und zwar am besten ins Krankenhaus.
  • Zuviel Omega-3-FS in unseren Zellmembranen sind genauso schlecht wie zu wenig. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Messung. Ob Sie im Zielbereich (also im Idealbereich der U-Kurve) liegen, kann man durch eine einfache Blutuntersuchung zuverlässig abklären.
  • Nutzen Sie hochqualitative Fischöle, entweder als Kapseln oder als „Speiseöle“. Hochwertige Präparate schmecken nicht ekelig (das tun nur ranzige Öle!), sie sind problemlos in unsere Speisen integrierbar. Zudem sind diese Produkte schadstoffkontrolliert, d.h. sie enthalten z.B. kein schädliches Quecksilber oder andere Schwermetalle. Mit einer Dosis von 2 Gramm Omega-3 Fettsäuren pro Tag liegen die meisten Menschen nach etwa 3 Monaten im Idealbereich. Da aber die Aufnahme der Fettsäuren bei jedem Menschen etwas unterschiedlich sein kann, klärt diese Frage eben nur eine Spiegelkontrolle im Blut. Eine Überdosierung durch die Einnahme von natürlichem Fischöl muss man erst einmal hinbekommen! In meiner Praxis habe ich das bei Hunderten durchgeführter Messungen noch niemals erlebt.

Und noch eine Information, welche alle regelmäßigen „Strunz News Leser“ ohnehin schon kennen. Falls Sie bereits wissen, dass Sie zu Herzrhythmusstörungen neigen, vergessen Sie bitte nicht auf Ihren Kalium- und Magnesiumspiegel zu achten. Auch alles problemlos im Blut messbar!


Literatur:

Jia X, et al. Association Between Omega-3 Fatty Acid Treatment and Atrial Fibrillation in Cardiovascular Outco-me Trials: A Systematic Review and Meta-Analysis. Cardiovasc Drugs Ther. 2021;35:793-800.

Metcalf RG, et al. U-shaped relationship between tissue docosahexaenoic acid and atrial fibrillation following car-diac surgery. Eur J Clin Nutr. 2014;68:114-8.

Qian F, et al; Fatty Acids and Outcomes Research Consortium (FORCE). Omega-3 Fatty Acid Biomarkers and incident Atrial Fibrillation. J Am Coll Cardiol. 2023;82:336-349

Myhre PL, et al. Omega-3 fatty acid supplements and risk of atrial fibrillation and 'micro-atrial fibrillation': A secondary analysis from the OMEMI trial. Clin Nutr. 2023;42:1657-1660.

von Schacky C, et al. Omega-3 Fatty Acids in Heart Disease why accurately measured levels matter. Netherl Heart J 2023, e-pub Feb 16.

Tribulova N., Szeiffova Bacova B., Egan Benova, Vladimir Knezl T., Barancik M., and Slezak J. Omega-3 Index and Anti-Arrhythmic Potential of Omega-3 PUFAs Nutrients. 2017 Nov; 9(11): 1191. Published online 2017 Oct 30. doi: 10.3390/nu9111191


Über die Autorin:


"Die Biologin Ursula Bien, Jahrgang 1963, ging nach ihrer Zeit am Institut für Biotechnologie des Forschungszentrums Jülich in die Pharmaindustrie und war zuletzt 15 Jahre lang Geschäftsführerin eines kleinen forschenden Pharmaunternehmens. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag dabei immer im Bereich der Hämatologie und Onkologie (Blutkrebs, Stammzelltransplantation, Tumore). Motiviert durch Fragen krebskranker Patienten, begann sie sich mit alternativen und komplementären Therapieverfahren zu beschäftigen. Sie absolvierte eine Zusatzausbildung als Heilpraktikerin und bildete sich über viele Jahre intensiv zu den Themen orthomolekulare Medizin und Ernährungsmedizin weiter. Nicht zuletzt durch den wissenschaftlichen Austausch mit Dr. med. Ulrich Strunz fand sie zum Thema Epigenetik und Bluttuning. Mittlerweile gibt sie die „Strunzsche Philosophie“ in eigener Praxis voller Überzeugung auch an ihre Patienten weiter.
Das sagt sie selbst zu ihrer Tätigkeit:

„So sinnvoll die Schulmedizin in vielen Bereichen auch ist, darf es bei chronischen Erkrankungen nicht das Ziel sein, Symptome zu unterdrücken. Es gilt, die Ursachen einer Erkrankung zu finden und abzustellen. Was durch Ernährungsumstellung, gezielte Zufuhr fehlender Mikronährstoffe und Bewegung erreicht werden kann, ist immer wieder verblüffend. Ich bin Dr. Strunz für das, was ich von ihm lernen durfte unendlich dankbar und freue mich für jeden Menschen, der am eigenen Leibe erfahren darf, dass manche Krankheiten nicht nur Schicksal sind.“