Unsere Körpertemperatur nehmen wir bewusst nur dann wahr und messen diese, wenn sie erhöht ist oder wir sogar Fieber haben. Eine zu niedrige Körpertemperatur ist eigentlich selten ein Thema.

Dabei schadet eine dauerhafte Untertemperatur uns viel mehr, als wir denken.

Wo genau sollte unsere normale, also gesunde Betriebstemperatur denn liegen?

Diese Frage hatte sich der Internist Dr. Carl Wunderlich bereits im 19. Jahrhundert gestellt. Er war fasziniert von der Körpertemperatur des Menschen und ihren unterschiedlichen Verläufen bei Krankheit und Gesundheit. Ihn interessierte vor allem, welche Temperatur ein gesunder Mensch hat. Daher führte er im Laufe der Zeit etwa 1 Millionen Messungen bei über 25.000 Menschen in seiner Heimatstadt Leipzig durch und fand so heraus, dass bei Gesunden (!) die Körpertemperatur – rektal oder oral gemessen- bei ca. 37 Grad liegt. Ähnliche Untersuchungen gab es in den USA in demselben Zeitraum.

Messen Sie doch mal bei sich die so genannte Basaltemperatur, also die Körpertemperatur in Ruhe, ohne Stress, am besten morgens vor dem Aufstehen, noch im Bett. Kommen Sie auf 37 Grad?

Wenn ja, sind Sie eine Ausnahme. Die meisten Menschen, insbesondere Frauen, liegen deutlich darunter. Das scheint uns von den Menschen, die vor 150 Jahren gelebt haben, grundlegend zu unterscheiden. Im Schnitt liegen wir heute um 0,6 Grad niedriger, wie eine Studie an 150.000 Amerikanern gezeigt hat.

Dies kann ich nach vielen Jahren Praxis auch so bestätigen, denn im Rahmen von Schilddrüsenuntersuchungen und Kinderwunschbehandlungen bitte ich meine Patienten regelmäßig, ihre Basaltemperatur aufzuzeichnen. Nur sehr selten finde ich Normwerte um die 37 Grad. Vielen Menschen leiden tatsächlich heutzutage unter einer zu geringen Körpertemperatur, ohne dass sie es wissen, denn wer misst seine Temperatur schon, wenn er sich nicht fiebrig fühlt.

Interessanterweise bekommen viele bei einem Infekt auch kein Fieber mehr. Auch das hat mit einer zu geringen Grundtemperatur zu tun. Eine chronisch erniedrigte Körpertemperatur von unter 36,8 Grad hat aber vor allem Auswirkungen auf die Aktivität unserer Enzyme und Hormone und nicht zuletzt auf die Fähigkeit der Mitochondrien, ATP zu bilden.

Unsere wichtigsten Temperaturregler sind der Hypothalamus sowie die Schilddrüse. Der Hypothalamus arbeitet wie ein Thermostat und vergleicht die Sensoren im Körper, die ihm ständig Informationen liefern, die Solltemperatur mit der tatsächlichen Temperatur. Bei einer Erhöhung können wir über Schwitzen schnell wieder zur Normtemperatur zurückfinden, bei einer erniedrigten Temperatur sollte die Schilddrüse gegensteuern.

Eine dauerhaft erniedrigte Temperatur ist für mich ein sehr genauer Hinweis auf eine Schilddrüsenfehlfunktion bzw. eine Schilddrüsenunterfunktion. Dies kann auch bei einem normalen TSH-Wert der Fall sein. Das tut sie allerdings oftmals nicht mehr. Dies würde über die Schilddrüse laufen, wenn sie funktioniert. Leider sind aber hierzulande fast die Hälfte der Bevölkerung schilddrüsenkrank, jeder Dritte nimmt Schilddrüsenhormone ein.

Wenn Sie ständig untertemperiert sind (bei Frauen vor der Menopause sollte die Basaltemperatur in der ersten Zyklushälfte gemessen werden), lassen Sie bitte einmal die Spiegel von


  • Tyrosin
  • Jod
  • Selen

messen.

In aller Regel ist Jod im Mangel, oftmals auch Selen (erkennen sie an niedrigen T3-Werten). Wenn Tyrosin oder Jod bereits im Mangel sind, also die Hauptbestandteile der Schilddrüsenhormone, können tatsächlich Ihre Laborwerte an TSH, FT3, und FT4 noch im unteren (!) Normalbereich liegen, aber es sind Durchschnittswerte, die im Zweifel gar nicht für Sie gelten. Ihren Optimalbereich und damit einen optimalen Stoffwechsel erreichen Sie, wenn Sie auch Ihre Körpertemperatur in die Bewertung der Schilddrüsenleistung mit einbeziehen.

Meine persönliche Empfehlung für die tägliche Schilddrüsenhormonproduktion für Menschen ohne autoimmune Schilddrüsenerkrankungen lautet:


  • 500 mcg Jod
  • 1500 mg Tyrosin
  • 200 mcg Selen

Bevor Sie jetzt erschrecken: Ihr Körper freut sich über so viel Tyrosin sehr, denn dann funktioniert auch die Coenzym-Q10-Synthese wieder und auch Ihre Glückshormone explodieren (siehe News vom 30.12.2023).

Neben einer nährstoffbedingten Schilddrüsenfehlfunktion gibt es noch einen anderen entscheidenden Grund, warum wir heutzutage oft zu kühl sind und warum es unsere Ur-Ur-Großeltern, nicht waren. Das ist das Thema in der nächsten News.

Quellen:
Gustafson C. Denis Wilson, md: Low Body Temperature as an Indicator for Poor Expression of Thyroid Hormone. Integr Med (Encinitas). 2015 Jun;14(3):24-8. PMID: 26770144; PMCID: PMC4566469.

Protsiv M, Ley C, Lankester J, Hastie T, Parsonnet J. Decreasing human body temperature in the United States since the industrial revolution. Elife. 2020 Jan 7;9:e49555. doi: 10.7554/eLife.49555. PMID: 31908267; PMCID: PMC6946399.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.