Tyrosin bzw. L-Tyrosin ist eine Aminosäure, die meines Erachtens oft unterschätzt wird. Denn sie zählt eben nicht zu den essenziellen Aminosäuren; sie kann aus der Aminosäure Phenylalanin hergestellt werden. Tyrosin wird an sehr vielen verschiedenen Stellen im Körper benötigt und ein Mangel (gut im Blut messbar!) zeigt sich in der Regel schnell mit einem ganzen Symptomenkomplex:

Schilddrüsenunterfunktion, Pigmentstörungen (z. B. plötzliches Ergrauen, Vitiligo), Erschöpfung, Müdigkeit, Depressionen, Antriebsschwäche, Konzentrationsstörungen.

All das kann grundsätzlich auf einen Tyrosinmangel zurückzuführen sein.

Schauen wir uns die wichtigsten Einsatzorte von Tyrosin etwas genauer an:


  1. Die Synthese der Schilddrüsenhormone
    Ich bekomme viele Zuschriften zum Thema Jod. Eine der häufigsten Fragen ist: „Wieso steigen meine Schilddrüsenwerte nicht, obwohl ich Jod zuführe?“. In fast allen Fällen liegt es daran, dass nicht beachtet wird, dass Jod allein nicht ausreicht, um die Schilddrüse auf Vordermann zu bringen. Dazu braucht die Schilddrüse eben auch Tyrosin. Dies wiederum gekoppelt an Jod ergibt dann das Schilddrüsenhormon Thyroxin (T4). Wenn das noch aktiviert wird (passiert zu 80 % in der Leber unter Verbrauch von Selen), dann bekommen wir Trijodthyronin (T3), was die Zellen – im Gegensatz zu T4 - verwerten können.
    Ohne ausreichende Mengen Tyrosin wird kein einziges Molekül Schilddrüsenhormon gebildet. Wie oft habe ich erlebt, dass plötzlich der morgendliche Griff zur Schilddrüsentablette überflüssig wurde, wenn der Körper mit Tyrosin (und Jod natürlich) ausreichend versorgt wurde.

  2. Die Synthese von Coenzym Q10
    Coenzym Q10, auch Ubichinon 10 genannt, kennen Sie. Nehmen Sie vielleicht auch ein. Aber wussten Sie, dass der Körper es selbst aus Tyrosin herstellt?
    Es ist oft im Mangel, wenn man es im Blut misst. Früher sagte man, dass die Eigensynthese mit dem 40. Lebensjahr nachlässt. Seit einigen Jahren messe ich auch bei meinen jüngeren Patienten sehr niedrige Spiegel. Coenzym Q10 spielt eine zentrale Rolle in den Atmungsketten der Mitochondrien. Eine ausreichende Produktion von Coenzym Q10 ist unabdingbar für die Bereitstellung von Energie (ATP) in den Zellen. Darüber hinaus fungiert es noch als Antioxidans.

  3. Synthese der Katecholamine Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin
    Unsere wunderbaren Katecholamine - ich nenne sie auch Glückshormone und habe schon oft – auch an dieser Stelle – von ihnen geschwärmt. Denn sie geben uns Antrieb, heben unsere Stimmung, machen uns kreativ, interessiert und konzentriert. Ohne ausreichende Katecholamine ist das Leben trübe und grau. Jeder einzelne Tag fällt schwer.
    Bei Stress, vor allem Dauerstress, wird viel Tyrosin zur Produktion von Noradrenalin und Adrenalin verwendet. Wer dann nicht gut für den Nachschub an Tyrosin sorgt, wird schnell zwei Phänomene feststellen: Eine lahme Schilddrüse und Konzentrationsstörungen (man nennt es auch ADHS). Ein niedriger Katecholaminspiegel ist für mich immer ein objektives Zeichen eines Burnouts.

  4. Synthese von Melanin
    Ihr Tyrosinbedarf steigt unweigerlich, wenn Sie sich in die Sonne setzen und ihre Hautzellen Melanin bilden. Auch dafür benötigen wir Tyrosin. Aber auch Ihre Haarpigmente benötigen Melanin. Daher kann Dauerstress auch schnell zum vorzeitigen Ergrauen führen. Denn die Melaninproduktion wird bei Stress als erstes reduziert, um die kostbaren Tyrosin-Reserven für die Schilddrüsen- und Katecholaminsynthese zu schonen.
    Das Überleben geht in der Evolution immer vor. Da bleibt die Schönheit schon mal auf der Strecke.

Quelle:
Willis R, Anthony M, Sun L, Honse Y, Qiao G. Clinical implications of the correlation between coenzyme Q10 and vitamin B6 status. Biofactors. 1999;9(2-4):359-63. doi: 10.1002/biof.5520090236. PMID: 10416053.
National Center for Biotechnology Information (2023). PubChem Pathway Summary for Pathway SMP0000006, Tyrosine Metabolism, Source: PathBank. Retrieved December 14, 2023 from https://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/pathway/PathBank:SMP0000006.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.