Sprachlos bin ich soeben. Passiert mir eigentlich nie. Gedacht habe ich „mein Gott, Walter…!“. Stehender Begriff. Will sagen: Ich bin perplex. Steh neben mir. Und wieso? Weil ich soeben etwas gelesen habe.

Lesen. Vielleicht gerade jetzt in der Corona-Zeit ein wirklich guter Ratschlag.

Gelesen und bedacht habe ich soeben die Worte eines Psychologen, des Psychotherapeuten und Bestsellerautors Michael Winterhoff (Fokus 18/2020, S. 90). Der spricht da Dinge aus, die ich Tag für Tag denke, aber niemals, niemals von mir geben würde. Sie werden gleich verstehen warum:


„Ich glaube schon, dass diese Krise uns erden wird. Normalerweise ist das Leben ein Kampf ums Wasser, Essen und gegen Kälte.

Wir sind in unserem Wohlstand mittlerweile weit weg von diesen Grunderlebnissen. Erstaunlich ist, dass dort, wo dieser Kampf noch sehr real geführt wird – etwa in Dritte-Welt-Ländern – die Lebensfreude grundsätzlich größer ist als bei uns.

Wenn bei uns jemand auf der Straße lächelt, muss man ja fast vermuten, dass er Drogen eingeworfen hat.“


Wie hübsch der das formuliert. Wie oft ich Ihnen schon empfohlen habe, einfach die Hauptstraße entlang zu gehen, den Menschen ins Gesicht zu gucken und zu …verstehen. Die Sache mit der falschen Ernährung, den fehlenden Neurotransmittern, den tief nach unten gezogenen Mundwinkeln. Derzeit auch prominent täglich im Fernsehen zu besichtigen.

Aber weiter:


„Plötzlich kommen die verschütteten Grundwerte wieder hoch. Bislang hat sich jede Hochkultur selbst ausgelöscht, weil auf dem höchsten Punkt des Wohlstands die Menschen in einen Wahn verfielen.

Wir haben jetzt die Chance, innezuhalten und zu schauen, was wir verbessern können.

So wie wir heute mit Kindern umgehen, werden wir keine Erwachsenen bekommen, die starke, stabile und gute Psychen haben. Wir brauchen weitsichtige, soziale und verantwortliche Menschen.

Aber diese Leistungen müssen im Kindesalter eingeübt werden. In Wahrheit aber befinden sich die Kinder in einem PERMANENTEN SCHONRAUM. Wir lassen sie mittlerweile selbst entscheiden, was sie lernen wollen und produzieren massenhaft Nachkommen, denen Grundkenntnisse in Mathe und Deutsch fehlen und die als Lehrlinge unter Selbstüberschätzung leiden. Das belegen viele Studien.“


Der permanente Schonraum. Wer auch nur einen Hauch dagegen einwendet, ist schon politisch unkorrekt. Hochkulturen verlöschen, weil sie „in einen Wahn verfielen“. Der Wahn ist mir jedenfalls wohl vertraut… aber weiter:


„Grundsätzlich müssen die Erwachsenen wieder zu sich selbst finden und Dinge tun, die wir vor der Digitalisierung getan haben.


DURCH DEN WALD GEHEN,
SONNE ERLEBEN,
SCHWEIGEND REGENERIEREN.


Vielleicht einfach mal Langeweile aushalten.“


Durch den Wald gehen? Ein guter Beginn. Man könnte ja auch joggen… folgen
weitere bemerkenswerte Ratschläge wie:


  • Lassen Sie das Handy daheim…plötzlich ist diese ständige Verfügbarkeit weg, und es gibt wieder Kommunikation in der Familie.
  • Viele entdecken vielleicht jetzt gerade wieder, dass sie überhaupt Kinder haben…
  • Ich hoffe, dass die Erwachsenen ihre Elternposition einnehmen und Verantwortung für ihre Kinder übernehmen.

Ach ja. Die Elternposition. Versteht in der Theorie natürlich jeder. Aber machen Sie das mal in der Praxis…! Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr…

PS I: Winterhoff arbeitet als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bonn. Beginnt soeben zu leben: Ist 65 Jahre alt. Hat geschrieben die Bestseller: „Deutschland verdummt“, „Mythos Überforderung“ u.a.m.

Mir fällt dazu ein: „Jedes vierte Schulkind ist psychisch auffällig. Die Zahl der Depressionen von Schulkindern ist angestiegen“. Laut ntv vom 21.11.2019

PS II: Dass der Facharzt verrissen wird von der üblichen Presse, harsch kritisiert wird von Kollegen… versteht sich von selbst.