Vitamin C-Mangel bei Nierenkranken
Vitamin C und geschädigte Nieren. Da war doch noch was. Ach ja: Vitamin C ist gefährlich. Es soll Nierensteine verursachen und die Nieren schädigen. Das hören wir gebetsmühlenartig seit Jahrzehnten und lesen in jeder KI-Zusammenfassung gleich vorneweg die Warnung vor dem nierenschädlichen Potential von Vitamin C… Eine neue Studie im American Journal of Clinical Nutrition lässt jetzt aber aufhorchen – und regt zum Überdenken des Themas an.
Ein niederländisches Forscherteam um Internistin Caecilia Doorenbos vom University Medical Center Groningen (Niederlande) untersuchte, wie es um den Vitamin C-Status bei Menschen mit chronischen Nierenerkrankungen unterschiedlichen Schweregrades bestellt ist. In ihrer Querschnittsstudie erfassten die Autoren die Vitamin C-Spiegel im Blutplasma von 62 Dialyse-pflichtigen Patienten, 41 Patienten mit stark fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung sowie von 42 Empfängern von Nierentransplantaten. Zum Vergleiche dienten die Werte von gesunden Probanden, darunter 447 Nierenspender sowie 385 gesunde Menschen.
Die Vitamin C-Aufnahme der chronisch Nierenkranken wurde täglich durch Befragung erfasst; die Werte der Dialyse-Patienten durch mehrere Blutentnahmen während der „Blutwäsche“ gemessen. Die Ergebnisse: Die durchschnittlichen Vitamin C-Spiegel waren am höchsten (58 µmol/l) bei den gesunden Kontroll-Teilnehmern; gefolgt von den Werten gesunder Nierenspender (50 µmol/l). Bei Nierentransplantierten lagen sie bei 37 µmol/l; Probanden mit stark fortgeschrittener chronischer Nierenerkrankung wiesen dagegen nur noch 22 µmol/l Vitamin C im Serum auf. Insgesamt hatte mehr als die Hälfte der Menschen mit chronischen Nierenleiden zu niedrige Werte; das betraf besonders 80 Prozent der schwer Nierenkranken (Stadium 4 oder 5) und 58 Prozent der Dialyse-Patienten.
Weitere Erkenntnisse: Bei den gesunden Probanden waren die Vitamin C-Spiegel im Blut positiv mit der Nierenfiltrationsrate assoziiert: Je mehr Vitamin C im Blut, desto besser die Nierenfunktion. Und: Eine zu geringe Vitamin C-Aufnahme wurde bei 69 Prozent der Dialyse-Patienten (trotz Einnahme von Supplementen) und bei 56 Prozent der schwerst chronisch Nierenkranken festgestellt. Die Forscher plädieren deshalb für eine bessere Kontrolle des Vitamin C-Status bei Nierenkranken und raten, Mängel durch die Ernährung und bei Bedarf auch durch Supplementierung zu beheben. PS: Von Nierensteinen war keine Rede.
Zugegeben, die Studie zeigt „nur“ eine Korrelation auf und beweist keine Kausalität. Aber eine solche wird immer wahrscheinlicher: Wie auch die Autoren anmerken, können chronische Entzündungen, wie sie auch bei Nierenkrankheiten vorausgehen, den Bedarf an Antioxidantien wie Vitamin C deutlich erhöhen.
Und was ist nun mit den gefährlichen Nierensteinen? Wie es zu diesen Warnungen kam und woraus Nierensteine (meist) wirklich bestehen, lesen Sie hier: https://www.strunz.com/news/vitamin-c-macht-eben-keine-nierensteine.html
Quellen:
Doorenbos CSE, Bolhuis DP, Ipema KJR, Duym EM, Westerhuis R, Stegmann ME, Franssen CFM, Bakker SJL, Gomes-Neto AW, Navis G, Berger SP, Özyilmaz A; TransplantLines Investigators. Vitamin C Status across the Spectrum of Chronic Kidney Disease and Healthy Controls: a Cross-sectional Study. Am J Clin Nutr. 2025 Sep 10:S0002-9165(25)00524-6. doi: 10.1016/j.ajcnut.2025.09.008. Epub ahead of print. PMID: 40939692.
Über die Autorin:
Marion Meiners ist ausgebildete Verlagskauffrau und Journalistin und arbeitete viele Jahre für Zeitschriften als Redakteurin für Gesundheit und Ernährung. Zusammen mit Labor-Professor Hans-Peter Seelig schrieb sie das Buch „Laborwerte klar und verständlich“.
Ihre Begeisterung für Medizinthemen entdeckte sie in frühen Berufsjahren, nachdem ihr eine Verwandte einen Pschyrembel schenkte. Seither heißt ihr digitales „Wohnzimmer“ PubMed und die Faszination für die Ursachen-Fahndung bei Krankheiten sowie die Effekte von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit hält an.
Das sagt sie über ihre Tätigkeit:
„Alles hängt mit allem zusammen im Körper. Das ist leider in unserer „Schubladen“-Medizin noch nicht so ganz angekommen. Ein Nährstoffmangel kann etwa ebenso fatale Auswirkung auf alle Organsysteme haben wie z.B. ein kranker Zahn. Umgekehrt kann schon eine veränderte Zusammenstellung der Makro-oder Mikronährstoffe in der Ernährung gigantische therapeutische Effekte entfalten. Welche, und wie gut belegt diese sind – darüber möchte ich informieren.“
