Soeben, im Mai 2013 erscheint das neue DSM-5. Das "diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen". Da stehen sie alle drin, die Krankheiten der Seele. Über 1000 Seiten dick. Heißt: Uns geht's wirklich schlecht.

Dieses Manual bestimmt das Verhalten der Ärzte. Denn im Zweifelsfall wird jedes Gericht sich ja darauf beziehen. Es entscheidet, wer Psychopillen schlucken soll, wer sich auf die Couch des Therapeuten legen darf, wer in die Psychiatrie eingewiesen werden muss.

Wie viele von uns davon betroffen sind? Mehr als ein Drittel aller EU-Bürger haben im Laufe eines Jahres (eines Jahres!) mindestens eine seelische Erkrankung. Wenn man der Psychiatrie, wenn man solch einem Manual glauben darf. In Deutschland ist eine psychische Diagnose inzwischen der häufigste Grund für Erwerbsminderungsrenten: Anstieg in 10 Jahren von 24,2% auf 39,3%.

Das Kompendium trifft also viele Menschen. Und bestimmt, wie die Behandlung vonstatten zu gehen hat.

Jetzt kommt's: Geschrieben wird dieses Manual von 158 Fachleuten. Darunter sogar ein Deutscher, nämlich Prof. Wittchen aus Dresden. Und von diesen 158 Spezialisten arbeiten

rund 70%

als Berater für pharmazeutische Firmen und bekommen von denen persönliche Honorare. Der Leiter, der Psychiater Prof. David Kupfer stand oder steht zu Diensten der Firmen

Eli Lilli and Company, Forest Pharmaceuticals, Pfizer, Johnson & Johnson, Servier Amerique, Hoffman-LaRoche, Lundbeck, Novartis und Solvay Wyeth.

Natürlich weiß ich, was Sie jetzt soeben denken. Und natürlich haben Sie Recht. Und eben doch wieder nicht. Selbstverständlich können diese 158 Fachleute, können folgerichtig die Mehrzahl der Psychologen, Psychotherapeuten, Psychiater gar nicht anders denken als in den Bahnen der Pharmaindustrie. Für jede Krankheit eine Tablette. Besonders eindrucksvoll ja das Ruhigstellen unserer ADHS-Kinder durch Ritalin. Würde zwar auch klappen mit Sport und Magnesium, aber...das liegt nun einmal außerhalb der Denkmöglichkeiten.

Und genau dies möchte ich Ihnen vermitteln: All diese Ärzte, diese Professoren sind kluge, anständige Menschen. Können aber eben nur denken so, wie sie erzogen sind. Können nur handeln so, wie sie es gelernt haben. Und Schulmedizin ist nun einmal Pharmamedizin...geworden. An diesem Fakt kommen Sie und ich nicht vorbei.

Wenn Sie sich also an einen Schulmediziner wenden, sind Sie im Prinzip einverstanden, dass er Ihnen - bei Bluthochdruck - eine Tablette gibt. Und Ihnen nicht erzählt, wie Sie den Blutdruck auf natürliche Weise beseitigen könnten. Das hat der nicht gelernt.

Quelle: Spiegel 4/13, S 115