Ackerbau und Viehzucht sind, wie Sie wissen, eine recht neuzeitliche Erfindung. Etwa 10.000 Jahre alt. Eine winzige Zeitspanne verglichen mit der Evolution des Menschen (1,8 Mio Jahre? 4,2 Mio?). Ackerbau und Viehzucht ist echter Fortschritt. Lese ich in Evolutions-Büchern, in kulturhistorischen Fachzeitschriften. Schreiben auch Sie mir und begründen das damit, dass erst so all die Milliarden Menschen auf diesem Globus ernährt werden konnten. Eine Meisterleistung. Auf welche erst unsere Kultur aufbauen konnte. Da haben Sie völlig Recht. Erst mal. Freilich:

Denk ich an Somalia. Irgendetwas stimmt an Ihrer Argumentation nicht. Wusste schon der Club of Rome.

Offenbar sind auch andere meiner Meinung. Im Fachblatt "Economics and Human Biology" äußert sich Frau Dr. A. Mummert recht eindeutig. Die Einführung der Landwirtschaft vor tausenden Jahren sei ein höchst zweifelhafter Fortschritt für die Menschheit gewesen. Denn

"wo immer der homo sapiens begann, Ackerbau zu betreiben, verschlechterte sich seine Gesundheit und sein Körper schrumpfte".

Über viele Jahrtausende hin sei die Ernährung in bäuerlichen Gesellschaften schlechter gewesen als bei Jägern und Sammlern. Co-Autor G. Armelagos weist "schon seit Jahren" auf die Schattenseiten der neolithischen Revolution hin. Also der Erfindung von Ackerbau und Viehzucht.

Auch die Vielseitigkeit der Ernährung (erinnern Sie sich? DGE? Fordert immer abwechslungsreiche Kost!), die Vielseitigkeit also sei geringer geworden durch den Anbau von Feldfrüchten. Bis heute stammen "rund 60% unserer Kalorien nur von drei Kulturpflanzen - Mais, Reis und Weizen".

Kultur? Wir leiden also nicht an irgend welchen, sondern an Kulturkrankheiten. Jetzt hab ich's verstanden. Alzheimer, Herzinfarkt, Krebs, Rheuma: Alles Kulturkrankheiten. Schöne Kultur!

Zitiert nach Spiegel 33/2011, Seite 114