Eiseskalt empfängt uns der Morgen, nur wenige Grad über Null. Viele sind in Überschuhe, Handschuhe, dicke Jacken eingemummelt; an so etwas hatten wir Greenhorns natürlich nicht gedacht. Den Südländern geht es genauso: Ein Brasilianer nur in knapper Hose, kurzem Trikot. Er ruckt schon jetzt rhythmisch mit dem Kopf. Vor Verzweiflung? Direkt nach dem Start eine kurze Anhöhe, die uns in arge Sauerstoffverlegenheit bringt. Schmerzen schon in der ersten Minute, meine Güte, das fängt ja gut an. Abschließend eine ewig lange, steile und natürlich rasende Abfahrt mit Tempo 70 in Gruppen. Auch hier fehlt es nicht an Angst vor Drafting (verboten). Überholvorgänge werden auf der Gegenspur, mitten im Autoverkehr vorgenommen. Die Sache wird lebensgefährlich. Schließlich erreichen wir doch alle mehr oder weniger intakt das Meer, und kurz darauf entscheidet sich so manches Tageschicksal in den Lavafeldern einer abgesperrten Straße.

Die Begleitfahrzeuge werden hier ausgesperrt, die Straßenverhältnisse sind, gelinde gesagt, katastrophal ... Schlaglöcher über Schlaglöcher, untermalt von wolkenbruchartigem Regen sowie starkem Sturm. Nun ja – eben Ultraman-Wetter. Dieser mörderischen Strecke folgt auf normalen Straßen wieder ein leichter Anstieg nach Hilo, der größten Stadt der Insel. Lebensgefährliche Irrfahren durch den starken Straßenverkehr, schließlich glücklich wieder aus der Stadt heraus und „eingetaucht“ in den schönsten Streckenabschnitt entlang der Ostküste, mit tropischem Dschungel, Wasserfällen, Brücken, steilen Felsabbrüchen in das azurblaue Meer.

Doch irgendwie wächst in mir die Ahnung, dass es sich hier nur um eine kleine Atempause vor einem weiteren Hammer handeln kann. Oder anders ausgedrückt: Die verbleibenden hundert Kilometer bis zum Tagesziel seien reiner, purer Anstieg. Ohne Unterbrechung. Konnten die bisherigen 160 km im 30er Schnitt bewältigt werden, so kommen wir jetzt über 20 km/h nicht hinaus. Und selbst das auch nur bei höchstem Krafteinsatz in ständigem Wiegetritt. Am Rande öfter mal Mitkämpfer, die erschöpft am Begleitfahrzeug lehnen, einer weint sogar. „Weiter jetzt. Druck. Lass dich nicht zu einer Pause animieren.“ Der Arzt kalkuliert mal wieder: Besonders wichtig jetzt, nach 6 Stunden Einsatz, die ständige Kohlehydrat-Ernährung. Was wäre ich jetzt ohne mein Begleitteam?

Inzwischen wird es heißer und heißer. Nach den Vororten von Waimea soll es angeblich nur noch „Hügelchen“ geben. Umso besser, denn meine Beine sind völlig leer, der Wille nahezu aufgebraucht. Da kann einem schon der Gedanke an diese „Hügelchen“ lähmen, psychisch wie physisch. Mit relativ hoher Geschwindigkeit, sicher geleitet von meinem Team, bringe ich den Ort hinter mich. Und da, rechts vor mir, der Anstieg in die Kohala-Berge … das „Hügelchen“.

Satte 6 bis 8 Prozent, teilweise sogar mehr. Und das nach sage und schreibe 240 km. Das pack´ ich nicht, nein! Dirk tröstet mich, es seien schließlich nur 6 km. Ich befürchte das Schlimmste und mache trotzdem weiter, kämpfe verbissen Meter um Meter. Kilometer um Kilometer nach oben. Die Schinderei will kein Ende nehmen, aus den sechs werden locker 12 Kilometer. Flüssigkeit und Bananen steigen ebenfalls … die Speiseröhre hinauf – Übergeben wäre nur unnötiger Zeitverlust, weiter, weiter, immer weiter.

Und dann mein persönlicher Höhepunkt des gesamten Wettkampfes: die berühmte Abfahrt von den Kohalamountains hinunter nach Hawi. Auch hier wieder Geschwindigkeiten über 70 km/h, zudem das herrliche Panorama der Nordküste. Atemberaubend, aber auf angenehme Art. Die Einfahrt ins Ziel gestaltet sich zu einem dieser unbeschreiblichen Glücksmomente. TV-Kamera, Reporter mit langem Mikrophon, Foto-Klickklack. Uff – zwei Drittel sind geschafft.

Folgt morgen Teil III