Lese ich 2015 im Spiegel. Scheint also eine wesentliche Erkenntnis 2015 zu sein. Müssen auch Sie lächeln. Auch Sie haben registriert, dass man banale, selbstverständliche Lebensweisheiten eben nicht als gegeben annehmen darf. Dass die von jeder Generation neu erarbeitet werden müssen. Sicherlich haben Sie schon vor 50 Jahren so Sätze wie „Schlaf ist wichtig“ gelesen. Und vor 30 Jahren erneut. Dabei doch eine völlige Selbstverständlichkeit, denken Sie.

Nicht für die Wissenschaft. Nicht für Schlaflabors. Das wirkliche Geheimnis hinter dieser ewigen Wiederholung: Die müssen von irgendetwas leben. Die müssen Forschungsprojekte vorweisen, um Fördergelder zu bekommen. Da beweisen Sie eben zum hundertsten Mal: Schlaf ist wichtig.

Wird aufgemacht mit prominenten Beispielen: Michelle Obama steht um 4.30 Uhr auf, um Sport zu machen. Oder: Um diese Zeit sind auch die Chefs von Apple, Starbucks und Disney wach. Die joggen, schreiben Mails, tätigen Anrufe nach Asien. In Deutschland geht Bahn-Chef Rüdiger Grube um 5:30 Uhr laufen. Wann schlafen die?

Immer noch gilt die Empfehlung der NSF (National Sleep Foundation); Schlafdauer soll sein

  • für Erwachsene 7-9 Stunden
  • für Teenager 8-10 Stunden

Klingt gut. Und wenn Sie Chirurg sind? Wenn Sie täglich von 8:00 bis 18:00 Uhr operieren müssen, und nachts zwei Mal von Unfällen aus dem Bette gezwungen werden? Ich habe solche akademische Schlafmangel-Wunder an der Chirurgischen Uniklinik Erlangen miterlebt. Wie machen die das?

Alles längst bekannt.

Wir wissen, wie man mit täglich 4 Stunden Schlaf auskommt. Über dieses Wissen, über die Technik dahinter spreche ich ja nun seit 25 Jahren. Spricht die kundige Menschheit seit Tausenden von Jahren. Scheint sich nie herumzusprechen. Muss man das Rad wirklich jedes Mal von neuem erfinden?

Ausweg: Meditation. Nannte ich damals Reflex-Tiefschlaf. Sie können sich Reflexe züchten (Stichwort Iamon), mit deren Hilfe Sie in ganz kurzer Zeit, in weniger als einer Minute in den Tiefschlaf verfallen. Tiefschlaf, die optimale Form der Regeneration. Das, was wir uns unter Schlaf ja vorstellen.

Was nie wirklich stimmt: Es gibt ganz verschiedene Schlafzyklen, verschiedene Schlaftiefen. Die tiefste, erholsamste Form ist der Tiefschlaf. Und die könnten Sie sich auch tagsüber als Reflex „heranzüchten“.

Davon hab ich gelebt. In meiner Assistentenzeit. Mehr als vier Stunden nachts im Bett haben Sie (doch, doch), Sie, lieber Patient, mir nicht gegönnt. Also musste ich tagsüber 2 mal 20 Minuten (gemessen im Schlaflabor) in den Reflextiefschlaf versinken. Habe ich auch getan. Schon aus Notwehr.

Für mich selbstverständliches Wissen. Offenbar nicht für viele von Ihnen. Beispiel gefällig? Lese ich im gleichen Artikel:

„Eine befreundete Ärztin unterschrieb vor einigen Jahren in einer Uni-Klinik ihren Arbeitsvertrag. Darin stand: „Die tägliche Höchstarbeitszeit beträgt maximal 24 Stunden“.

Damals amüsierten wir uns über diesen Satz. Als sie zwei Jahre später kündigte, verzweifelt, ausgebrannt, lachte niemand mehr.“

Verstanden? Die Dame wusste nichts von Iamon. Wusste nichts von Reflextiefschlaf. War dem unerbittlichen Leben (Ihrem Arbeitgeber, den Patienten) bis zum Burnout ausgeliefert.

Sind wir wieder beim Wörtchen „Eigenverantwortung“. Baut selbstverständlich auf Wissen. Baut auf Lesen und Lernen.

Zum x-ten Mal: Das Leben ist leicht.

 

Quelle: Der SPIEGEL 22/2015, Seite 117