In meinem vorherigen Newsletter habe ich vorgestellt, welche theoretischen Mengen an Nahrung ein Sportler aufnehmen müsste, um seinen Kalorienbedarf zu decken. Doch die Frage nach den Kilokalorien ist in Wahrheit eine deutlich komplexere Angelegenheit. Die einfache Rechnung – „ich esse meinen Grundumsatz plus meine verbrannten Trainingskalorien“ – ist falsch. Denn es geht nicht darum, wie viele Kalorien gegessen werden, sondern wie viel Energie dem Körper nach dem Training noch übrig bleibt, um alle lebenswichtigen Prozesse aufrechtzuerhalten.

Genau hier setzt das Konzept der Energy Availability (EA) – Energieverfügbarkeit – an.
Die zentrale Idee: Der Körper benötigt nach dem Training genügend Energie, um alles zu versorgen, was für Gesundheit und Leistungsfähigkeit entscheidend ist: Stoffwechsel, Immunsystem, Hormonstatus, Herz-Kreislauf-Systems, Regenerationsfähigkeit, Kognition. Als Berechnungsgrundlage dient die fettfreie Masse (FFM), also alle Gewebe im Körper, außer Fett. Denn: Fett verbraucht kaum Energie und ist für die Steuerung der erwähnten Prozesse nicht relevant.

Dr. Anne Loucks, eine der weltweit führenden Sportphysiologen, hat diese Methode entwickelt, die uns zeigt, ab welcher Energieverfügbarkeit der Körper gesund und leistungsfähig bleibt – und ab wann hormonelle und metabolische Systeme beginnen, ihre Arbeit einzustellen.

Die Rechnung:

E

nergieverfügbarkeit = (aufgenommene Kalorien – Trainingskalorien) / Fettfreie Körpermasse

Wichtig: Es wird nur die Trainingsenergie abgezogen, nicht der gesamte Tagesverbrauch. Denn die Energieverfügbarkeit misst, was nach dem Training für hormonell aktive Gewebe übrigbleibt.

Das Ergebnis kann nach folgenden Referenzen eingeschätzt werden:


  • 45 kcal/kg FFM = Leistungsfähigkeit & Erhalt
  • 30–45 kcal/kg FFM = gesundes Abnehmen
  • < 30 kcal/kg FFM = Risiko für hormonelle und metabolische Probleme

Der Unterschied zur klassischen Kalorienbilanz-Rechnung wird in einer Beispielrechnung deutlich:

Viele Sportler essen genau so viel, wie sie laut App oder Sportuhr verbrauchen:

Grundumsatz + Trainingskalorien = tägliche Kalorienzufuhr

Nach der klassischen Kalorienbilanz wird so das Körpergewicht gehalten. Doch im Energy-Availability-Modell zeigt sich ein anderes Bild:

Beispiel anhand einer fiktiven Sportlerin:

  • Grundumsatz + Alltagsaktivität: 2000kcal
  • Verbrauch durch Training: 500 kcal
  • Gesamter Verbrauch: 2500 kcal
  • Fettfreie Masse = 50 kg

Wenn die Sportlerin nun 2500 kcal pro Tag aufnimmt, ergäbe das eine Kalorienbilanz von 0. Es scheint, als wäre damit ausreichend Energie zugeführt.

Das Energy-Availability-Modell zeigt allerdings:

EA = (2500kcal Energieaufnahme – 500kcal Energieausgabe) / 50 kg fettfreie Masse
= 40 kcal/kg FFM.

Das reicht gerade so für den Erhalt – aber nicht für Aufbau, Kraftzuwachs oder hohe Trainingsbelastung. In Folge hat der Körper hat zu wenig Energie für Regeneration, Muskelaufbau, Immunsystem und hormonelle Stabilität – obwohl die Kalorienbilanz „stimmt“.

Die Konsequenz daraus ist nicht, jeden Tag die perfekte Kalorienzahl zu treffen. Entscheidend ist der durchschnittliche Energiezustand über mehrere Tage. Dr. Louck zeigt klar: Der Körper reagiert auf anhaltende Energieverfügbarkeit – nicht auf tägliche Schwankungen. Wie dieses Konzept für jeden bewegten Menschen angewendet werden kann und warum es so relevant in der (Sport)Medizin ist, möchte ich Ihnen in den nächsten News vorstellen.


Quelle: Loucks AB. Energy balance and energy availability. In: Maughan RJ, editor. Sports Nutrition. 1st ed. Oxford: International Olympic Committee; 2014. p. 72–87.



Über den Autor:


“Justus Mörstedt widmete sich bis zu seinem 14. Lebensjahr in seiner Freizeit dem Triathlon, bevor er sich endgültig auf sein Lieblingselement, das Wasser, fokussierte und Finswimmer wurde. Seit 2019 ist er Sportsoldat und studiert und trainiert im Leistungszentrum Leipzig.

Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: „Hier lebe ich meinen Traum: Leistungssport und Medizinstudium. Mich fasziniert es, das neu Erlernte im Sportleralltag in die Praxis umzusetzen und somit den oft trockenen Inhalten ein wenig Leben einzuhauchen.“

Diese Kombination macht sich bezahlt: im Juli 2024 wurde er zweifach Weltmeister. Über 200 m Streckentauchen hält er den Weltrekord. Falls Sie neugierig geworden sind, was Finswimming ist, sehen Sie sich in den News um, oder werfen eine beliebige Suchmaschine an!

Forever young wurde ihm mit seinem Einstieg in den Profisport sozusagen „in die Wiege gelegt“. Sein Trainer sagte immer: „Wer hier mitmachen will, muss mindestens ein Strunz-Buch gelesen haben.“ Zu Wettkämpfen verteilte er den Sportlern immer Vitamineral 32. Mit den Jahren in Leipzig hat sich in seinem 24 Jahre jungem Kopf so einiges zusammengesammelt, was er gerne mit Sportlerkollegen unter anderem hier in den News teilt. Dabei unterstützen wir als forever young ihn als Sponsor."


Das Bild zeigt ein Porträt des News-Autors und Finschwimmers Justus Mörstedt.