Sie schreiben: "Erklärt uns Peter Mersch in seinem neuen Büchlein 'Migräne. Heilung ist möglich'."

Man muss sich schon sehr blind in der Low-Carb-Szene bewegen, um nicht zu wissen, dass Merschs Migräne-Buch kein neues Büchlein, sondern ein umfangreiches (fast 500 Seiten starkes) und recht einflussreiches Buch aus 2006 ist. Außerdem betreibt Herr Mersch seit 2004 (d.h. seit mehr als 11 Jahren) die informationsreiche Migräne-Website www.migraeneinformation.de mit mehr als 2.000 angemeldeten Usern im Forum. Er selbst ernährt sich gemäß seinen eigenen Angaben seit mehr als 30 Jahren (seit seiner Migräneheilung mit ca. 35) Low-Carb. Er gehört damit zu den Low-Carb-Urgesteinen. Man sollte ihn kennen, wenn man sich professionell mit dieser Ernährungsweise beschäftigt.

Dass er sich in seinem Buch (und auf seiner Website) mitunter ziemlich medizinisch ausdrückt, hat auch etwas mit der Krankheit Migräne zu tun. Dort redet die ganze Branche so (lesen Sie z. B. mal ein Buch vom Prof. Göbel, dem bekanntesten deutschen Migränearzt). Und in der Tat bedarf es einer Erklärung, dass Migränekranke ja nicht andauernd (wie bei Übergewicht) leiden, sondern nur "sporadisch": Mal wirken sie kerngesund und sind voller Lebensfreude, am nächsten Tag liegen sie dann auf einmal schmerztgekrümmt im Bett. Jede Erklärung für solche Vorgänge dürfte nicht ganz so einfach sein wie beim Übergewicht.

Hinzu kommt, dass das, was auch Sie auf strunz.com vertreten, vom größten Teil der Migränemedizin nicht anerkannt wird, siehe etwa die Ausführungen von Prof. Göbel im NDR (11.11.2011): http://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/mythosaspirin113.html

Dort schreibt Göbel u.a.: 

"Wichtig ist, dass Patienten die besondere Leistungsfähigkeit ihres Nervensystems nicht überstrapazieren. Dazu zählt ein regelmäßiger Tagesrhythmus. Wesentlich ist die regelmäßige Einnahme der Hauptmahlzeiten, insbesondere ist ein umfangreiches kohlenhydratreiches Frühstück in Ruhe erforderlich. Nach der langen Nachtphase sind die Kohlenhydratspeicher in den Nervenzellen erschöpft und deswegen ist es wichtig, dass diese wieder durch ein kohlenhydratreiches Frühstück aufgebaut werden. Als Energieträger können Nervenzellen nur Kohlenhydrate verwenden, Fett und Eiweiß sind als Energiesubstrat für Nervenzellen ohne Nutzen."

Er behauptet also, dass Nervenzellen nur Glukose verstoffwechseln können. Es dürfte für Herrn Mersch nicht einfach gewesen sein, schon im Jahr 2004 eine ganz andere Auffassung vertreten zu haben und zu behaupten, dass Nervenzellen auch Ketonkörper verarbeiten können. In den ersten Jahren nach Start seiner Website und Veröffentlichung seines Buches wurde er dafür ganz erheblich kritisiert. Heute dürfte das nicht mehr ganz so einfach sein.

Herr Mersch vertritt in seinen Büchern (ganz hervorgehoben in "Klüger werden und Demenz vermeiden" aus 2012) allerdings in einem Punkt eine ganz andere Auffassung, als alle anderen mir bekannten Low-Carb-Experten: Es ist seiner Meinung nach weniger die Ketose (bzw. der Anteil an Ketonkörpern im Blut), der die gesundheitlich positiven Effekte für das Nervensystem bewirkt, sondern vor allem die Ketoadaption, d.h. die permanente Bereitschaft des Gehirns und vieler anderer Organe, Ketonkörper zu verarbeiten, wenn sie vom Organismus angeboten werden. Damit kann er auch erklären, warum Migräneattacken nur "sporadisch" auftreten und wie man sie loswerden kann.