Antikörper bei Hashimoto-Thyreoiditis und was sie wirklich bedeuten
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse und eine der zentralen Ursachen für eine Unterfunktion. Das Immunsystem richtet sich dabei irrtümlich gegen körpereigene Schilddrüsenzellen.
Ein entscheidender diagnostischer Hinweis auf diese Autoimmunreaktion sind Antikörper, die sich gezielt gegen Bestandteile der Schilddrüse richten.
Doch Antikörper sind nicht gleich Antikörper – und ihre Aussagekraft unterscheidet sich deutlich. Außerdem werden in der Praxis in der Regel nicht alle relevanten Marker bestimmt, was die Diagnose erschweren oder verzögern kann. Viele Patienten berichten mir beim Erstgespräch, dass in der Arztpraxis häufig nur ein Marker bestimmt wurde – meist Anti-TPO.
Marker wie Anti-TG und TRAK sowie neuere Autoantikörper wie gegen das Selenoprotein-P werden in vielen Fällen gar nicht berücksichtigt.
Das ist ein Problem, denn nicht jede Person mit Hashimoto hat alle klassischen Antikörper erhöht. Bei manchen sind nur Anti-TPO erhöht, bei anderen nur Anti-TG – und einige haben keine auffälligen Standardmarker, zeigen aber dennoch typische Ultraschallbefunde. Das Fehlen einzelner Marker kann die Diagnose verzögern oder dazu führen, dass Beschwerden nicht ernst genommen werden. Ohne TRAK-Bestimmung kann eine Mischform oder auch die Basedow-Verlaufsform übersehen werden. Neue Marker wie Selenoprotein-P-Antikörper können bei unklaren oder therapieresistenten Verläufen hilfreich sein.
Kurz gesagt: Eine gründliche Diagnostik sollte immer alle relevanten Antikörper einschließen.
- TPO-Antikörper (Anti-TPO) – die sensibelsten Marker
Sie richten sich gegen die Thyreoperoxidase (TPO). Die TPO ist ein zentrales Enzym der Schilddrüse. Sie sitzt auf der Oberfläche der Schilddrüsenzellen und sorgt dafür, dass aus Jod und Tyrosin die Schilddrüsenhormone T3 und T4 entstehen.
Anti-TPO sind bei über 90 % der Hashimoto-Betroffenen erhöht. Sie gelten daher als der wichtigste und häufigste Antikörper. Ein erhöhter Wert bedeutet eine aktive Autoimmunreaktion, sagt aber nichts über die Schwere der Symptome aus. - TG-Antikörper (Anti-TG) – die ergänzenden Marker
Sie richten sich gegen das Thyreoglobulin, ein Protein, das als Speicher für Schilddrüsenhormone dient. Anti-TG sind etwa bei 50 bis 70% der Betroffenen erhöht. Ein Teil meiner Patienten hat lediglich erhöhte Anti-TG-Werte. Bei einer reinen Anti-TPO-Testung würden sie im Hashimoto-Screening übersehen werden. Anti-TG schwanken häufig stärker als Anti-TPO und können in bestimmten Situationen schneller ansteigen oder abfallen. - TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) – selten, aber dennoch entscheidend
TRAK richten sich gegen den TSH-Rezeptor, der reguliert, wie viel Hormon die Schilddrüse produziert. Sie sind typisch für Morbus Basedow, also eine Überfunktions-Autoimmunerkrankung. Doch sie können auch bei Hashimoto vorkommen, z. B. in den Wechseljahren oder nach der Schwangerschaft, bei Mischformen und bei der Hashitoxikose, einer vorübergehenden Überfunktionsphase bei Hashimoto Thyreoiditis. Ohne TRAK-Bestimmung kann eine wichtige Differenzialdiagnose leicht übersehen werden. - Selenoprotein-P-Antikörper – ein neuer Marker mit hoher Relevanz
Selenoprotein P ist ein Transportprotein für Selen – ein Element, das für die Umwandlung und Aktivierung von Schilddrüsenhormonen essenziell ist. Neue Studien zeigen, dass Selenoprotein-P-Antikörper bei einem Teil der Hashimoto-Betroffenen erhöht sind. Sie können darauf hindeuten, dass der Selenstoffwechsel gestört ist – trotz ausreichender Ernährung oder Supplementation (siehe auch meine News vom 9.3.2024).
Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass erhöhte Antikörperwerte automatisch eine „aktive“ Erkrankung oder einen Krankheitsschub bedeuten. Antikörper korrelieren auch nicht zuverlässig mit Symptomen. Sie sagen wenig darüber aus, wie geschädigt die Schilddrüse ist. Und sie geben keine klare Prognose über den zukünftigen Verlauf.
Wichtig ist zudem zu wissen ist, dass erhöhte Antikörper allein noch keinen Hashimoto bedeuten. Besonders leicht erhöhte Werte kommen auch bei vielen gesunden Menschen vor und sind daher nicht automatisch ein Hinweis auf eine Erkrankung. Um Klarheit zu bekommen, gehört deshalb immer auch eine Ultraschalluntersuchung dazu – sie hilft, eine sichere Erstdiagnose zu stellen.
Besonders Anti-TPO-Antikörper können schon Jahre vor Symptomen auftreten und durch Stress, Infekte oder hormonelle Umstellungen beeinflusst werden.
Nur die Kombination aus Antikörpern, Hormonstatus und Ultraschall ermöglicht eine sichere, klare und ganzheitliche Diagnose.
Quellen:
Federige MAF, Romaldini JH, Miklos ABPP, Koike MK, Takei K, Portes ES. Serum selenium and selenoprotein-P levels in autoimmune thyroid diseases patients in a select center: a transversal study. Arch Endocrinol Metab. 2017 Dec;61(6):600-607. doi: 10.1590/2359-3997000000309. PMID: 29412385; PMCID: PMC10522059.
Sun Q, Mehl S, Renko K, Seemann P, Görlich CL, Hackler J, Minich WB, Kahaly GJ, Schomburg L. Natural Autoimmunity to Selenoprotein P Impairs Selenium Transport in Hashimoto's Thyroiditis. Int J Mol Sci. 2021 Dec 3;22(23):13088. doi: 10.3390/ijms222313088. PMID: 34884891; PMCID: PMC8658221.
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.
