Labordiagnostik kann oft viele Rätsel lösen. Zum Beispiel auch die Frage, warum bei einigen Patienten eine Selentherapie nicht oder nicht ausreichend wirkt.

Wie Sie wissen, ist Selen ein lebensnotwendiges Spurenelement, das der Körper nicht selbst herstellen kann und daher am besten täglich über die Nahrung aufgenommen werden muss. Dies scheitert allerdings oft daran, dass unsere europäischen Böden selenarm sind und daher auch bei noch so optimaler Ernährung ein Selenmangel fast die Regel ist. Selen ist daher eines der Nahrungsergänzungsmittel, die quasi jeder hierzulande täglich – nach individueller laborbasierter Dosierung - benötigt.

Sogar die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat mittlerweile wissenschaftliche Gutachten zu Selen veröffentlicht. Demnach leistet Selen folgendes:


  1. Schutz von DNA, Proteinen und Lipiden vor oxidativem Stress
  2. Erhaltung normaler Haare

Die Vorteile von Selen gehen aber weit über die Gutachten der EFSA hinaus. Betrachten wir nur einmal die Bedeutung von Selen im Schildddrüsenstoffwechsel. Es spielt hier eine entscheidende Rolle und zwar direkt doppelt:


  1. Selen schützt die Schilddrüse vor einem Schaden durch das hoch aggressive Wasserstoffperoxid bei der Herstellung von Thyroxin (T4).
  2. Selenabhängige Enzyme, so genannte Dejodasen, machen das inaktive Thyroxin für den Körper überhaupt erst nutzbar, indem sie es aktivieren. Mit Thyroxin können die allermeisten Zellen nämlich gar nichts anfangen.

Von daher ist für mich bei der Untersuchung der Schilddrüse der T3-Wert unverzichtbar. Warum dieser entscheidende Laborwert in der Regel gar nicht untersucht wird, erschließt sich mir nicht.

Ich diagnostiziere besonders bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen, z. B. Hashimoto Thyreoiditis aber auch anderen Autoimmunstörungen, oft ein so genanntes “Low-T3-Syndrom”. Dies bedeutet, dass der Hypophysenwert TSH (der oft fälschlicherweise als Schilddrüsenwert bezeichnet wird) und auch Thyroxin-Wert im Normbereich liegen, das T3 allerdings im relativ oder absoluten Mangel ist. Diese Menschen leiden natürlich an einer Schilddrüsenunterfunktion mit allen ihren Symptomen, fallen aber durch die kassenärztliche Diagnostik. Eine erhöhte Einnahme von L-Thyroxin als Tablette jeden Morgen führt zu keiner Besserung ihrer Symptome.

Der erste Schritt besteht in diesem Fall darin, den Selenwert zu prüfen, der in der Regel zumindest suboptimal ist. Er sollte im Serum zwischen 150-200 Mikrogramm/l liegen, um eine optimale Aktivität der selenabhängigen Enzyme zu gewährleisten.

Leider sprechen einige Menschen auf eine Selentherapie nur unzureichend an und trotz optimaler Selenwerte reagiert T3 nicht so, wie man es erwarten würde.

Dann muß weiter recherchiert werden. Dann schaue ich auch nach Selenoprotein P und vor allem Autoantikörper gegen diesen wichtigen Wert.

Selenoprotein P ist für Selen so wichtig wie Transferrin für Eisen. Die Verteilung von Selen und die Aufnahme der Zielzellen ist von diesem Molekül abhängig. In der Regel korreliert der Selenstatus im Serumblut gut mit dem Selenoprotein P-Wert.

Bei Autoimmunerkrankungen, wie der Hashimoto Thyreoiditis oder bei Chronic Fatigue Syndrom, bilden sich oft Autoantikörper gegen das Selenoprotein P und verhindern dadurch den Selen-Transport und die zelluläre Aufnahme. In Folge dessen verringert sich die Bioverfügbarkeit von Selen. Auch wenn das Blut voll mit Selen ist.

Um den T3-Wert und auch viele andere durch Autoimmunität gestörte Prozesse wieder in einen normalen Bereich zu bringen, muss also unbedingt die Autoimmunität ursächlich behandelt werden. Wie das geht, wurde von Dr. Strunz schon des öfteren erörtert.


Quellen:
Sun Q, Oltra E, Dijck-Brouwer DAJ, Chillon TS, Seemann P, Asaad S, Demircan K, Espejo-Oltra JA, Sánchez-Fito T, Martín-Martínez E, Minich WB, Muskiet FAJ, Schomburg L. Autoantibodies to selenoprotein P in chronic fatigue syndrome suggest selenium transport impairment and acquired resistance to thyroid hormone. Redox Biol. 2023 Sep;65:102796. doi: 10.1016/j.redox.2023.102796. Epub 2023 Jul 3. PMID: 37423160; PMCID: PMC10338150.

Jujić A, Molvin J, Nilsson ED: Low levels of selenoprotein P associate with cognitive impairment in patients hospitalized for heart failure. J Card Fail. 2024 Feb 14:S1071-9164(24)00039-3. doi: 10.1016/j.cardfail.2024.01.010. Epub ahead of print. PMID: 38364966.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.