Bakterien als Anti-Tumor-Therapie?
Bakterien machen krank und müssen weg – so pauschal denken viele über Mikroben, die sich am und um den Menschen herum tummeln. Dass sich darunter aber auch nützliche Keime befinden, die nicht nur die Gesundheit generell fördern, sondern womöglich auch direkt gegen Krankheiten wie Krebs helfen können, ist bislang eher weniger bekannt. Ein faszinierendes Beispiel dafür lieferten jetzt japanische Forscher in zwei Studien, in denen sie feststellten: Es gibt tatsächlich residente Bakterien, die in Tumoren leben – eine Art Tumor-Mikrobiom sozusagen –, und darunter befinden sich auch solche, die Tumoren vernichten können.
In einer Arbeit aus 2023, publiziert im Fachjournal „Advanced Science“, stellten die Wissenschaftler vom Japan Advanced Insituts of Science in Nomi, Japan, bisherige Erkenntnisse und Resultate aus Tierstudien zusammen, die die bakterielle Wohngemeinschaft speziell in Tumoren beleuchten. Speziell analysierten sie zwei ungewöhnliche Bakterienstämme, die im sauerstoffarmen Milieu der Tumore wachsen und gedeihen können – und die Zellkultur-Versuchen zufolge dazu in der Lage waren, Krebszellen absterben zu lassen. Dabei handelte es sich zum einen um die nicht-pathogenen purpurfarbenen photosynthetischen Bakterienarten Rhodopseudomonas palustris und Blastochloris viridis sowie um den Anaerobier Proteus mirabilis aus der Enterobacter-Familie, ein natürlicher Bewohner der menschlichen Darmflora. In Tierversuchen hatten beide Stämme effektive Immunantworten ausgelöst und das Leben deutlich verlängert – bei Mäusen mit u.a. Darm-, Brust- und Lungenkrebs.
Fasziniert von diesen Funden legte eine Arbeitsgruppe um Eijiro Miyako, Professor am Japan Advanced Institute of Science and Technology, noch einmal nach und veröffentlichte kürzlich eine weitere Arbeit zum Thema in „Nature Biomedical Engineering“. Darin belegen die Forscher anhand von in-vitro- und Tierversuchen, dass intravenöse Gaben dieses Bakterien-Duos keine systemische Toxizität erzeugten – aber zu vollständigen Tumor-Remissionen und verlängerten Überlebenszeiten (von Mäusen) führten.
Das mikrobielle „Konsortium“ löste, so die Forscher, auch ohne massive Beteiligung von Immunzellen selektiv in Tumoren Thrombosen aus und ließ die Blutgefäße der Krebsherde, dann die Tumoren selbst absterben. Die Autoren sehen in diesem Bakterien-Duo eine zukünftige nebenwirkungsarme und preiswerte Krebstherapie. Ihre Bewertung: „Diese natürliche bakterielle Synergie, die ohne Gentechnik erreicht wird, bietet eine selbstregulierende und kontrollierbare Strategie für eine sichere, tumorgerichtete Therapie.“
Mein Senf dazu: Bitte mehr Forschung zu diesen spannenden Thema! Und: Leute, hört auf, Bakterien zu verteufeln – und kümmert euch mehr um die guten Helfer unter den menschlichen mikrobiellen Besiedlern, vor allem um diejenigen im Darm. Was Sie tun können, lesen Sie hier: https://www.strunz.com/news/das-mikrobiom-unsere-darmflora.html
Quellen:
Iwata S, Nishiyama T, Sakari M, Doi Y, Takaya N, Ogitani Y, Nagano H, Fukuchi K, Miyako E. Tumour-resident oncolytic bacteria trigger potent anticancer effects through selective intratumoural thrombosis and necrosis. Nat Biomed Eng. 2025 Aug 5. doi: 10.1038/s41551-025-01459-9. Epub ahead of print. PMID: 40764397.
Goto Y, Iwata S, Miyahara M, Miyako E. Discovery of Intratumoral Oncolytic Bacteria Toward Targeted Anticancer Theranostics. Adv Sci (Weinh). 2023 Jul;10(20):e2301679. Epub 2023 May 7. PMID: 37150857; PMCID: PMC10369285.
Über die Autorin:
Marion Meiners ist ausgebildete Verlagskauffrau und Journalistin und arbeitete viele Jahre für Zeitschriften als Redakteurin für Gesundheit und Ernährung. Zusammen mit Labor-Professor Hans-Peter Seelig schrieb sie das Buch „Laborwerte klar und verständlich“.
Ihre Begeisterung für Medizinthemen entdeckte sie in frühen Berufsjahren, nachdem ihr eine Verwandte einen Pschyrembel schenkte. Seither heißt ihr digitales „Wohnzimmer“ PubMed und die Faszination für die Ursachen-Fahndung bei Krankheiten sowie die Effekte von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit hält an.
Das sagt sie über ihre Tätigkeit:
„Alles hängt mit allem zusammen im Körper. Das ist leider in unserer „Schubladen“-Medizin noch nicht so ganz angekommen. Ein Nährstoffmangel kann etwa ebenso fatale Auswirkung auf alle Organsysteme haben wie z.B. ein kranker Zahn. Umgekehrt kann schon eine veränderte Zusammenstellung der Makro-oder Mikronährstoffe in der Ernährung gigantische therapeutische Effekte entfalten. Welche, und wie gut belegt diese sind – darüber möchte ich informieren.“
