Nennt sich Timothy Ferris. Dessen Bestseller "Der 4-Stunden-Körper" eben nicht aus Uraltwissen der Universitäten, eben nicht aus abgeschriebenen Lehrbüchern, sondern aus geronnener eigener Erfahrung besteht.

Der also meinem Idol, dem Physiknobelpreisträger Feynman wörtlich folgt. Feynman: "Wissenschaft, das ist: Alles durch erneute, unmittelbare Erfahrung nochmals überprüfen" (News vom 28.06.2006, www.strunz.com). Also probiert Ferris persönlich aus, wie man ohne Sport in 30 Tagen 10 Kilo abnimmt. Wie man sich vollstopft, ohne Fett anzusetzen. Wie man zwei Stunden pro Nacht schläft und sich völlig ausgeruht fühlt. Wie man unglaublichen Sex hat... Wie man sein Testosteronlevel verdreifacht. Und er ist sich nicht zu schade, einen Blutzucker-Messfühler sich unter die Haut einzupflanzen und rund um die Uhr den Blutzucker zu messen. Zum Beispiel nach Genuss von Vollkornbrot. Ist sich nicht zu schade, qualvolle 20-minütige Eisbäder zu nehmen, um die Frage zu studieren, ob dann Fett schmilzt.

Sie sollten Ferris nicht unterschätzen. Der 33 jährige Priceton-Absolvent spricht Japanisch und Mandarin, spendet regelmäßig größere Summen für wohltätige Zwecke und... kennt sie alle.

Er erkundigt sich bei dem milliardenschweren Unternehmer Richard Branson, wie man produktiver wird, schnappt bei dem NASA-Wissenschaftler Ray Cronise auf, dass man die Gesetze der Thermodynamik auch aufs Abnehmen anwenden kann, und erreicht dank Pavel Tsatsouline, einem ehemaligen Ausbilder sowjetischer Spezialeinheiten, innerhalb von fünf Minuten eine 37-prozentige Kraftsteigerung beim Langhantelstemmen.

Und mir hat er Schwimmen beigebracht. Auf zwei Seiten. Trainer hatten das nie geschafft. Mit Ferris hab ich's verstanden.

Ich mag ihn wegen des letzten Satzes. Er ist zwar kein Arzt, kein Wissenschaftler, kein Psychologe, aber ein besessener Faktensammler und begnadeter Ideenverkäufer. Auf die typisch europäisch-bedenkenträgerische Frage, wo denn bei dieser Selbstoptimierung Gefühle und innere Werte bleiben, antwortet Ferris knapp:

"Verbessern Sie erstmal Ihre äußeren Werte, die innere Wandlung folgt ganz von selbst."

Seneca hätte es nicht prägnanter formuliert.

Quelle: WAMS 40, 20.10.2011