Beim letzten Mal habe ich erzählt, dass unser Fettgewebe sich angeregt mit unserem Gehirn unterhält, damit dieses immer auf dem neuesten Stand ist, und Bescheid weiß, ob wir über genügend Kalorienreserven verfügen. Dieses permanente Zwiegespräch bekommen wir natürlich nicht mit, denn es findet in einem Teil unseres Gehirns statt, der uns nicht zum Bewusstsein kommt, dem Hypothalamus, der Schaltzentrale unseres vegetativen Nervensystems. Dieses relativ kleine Areal in unserem Kopf steuert unter anderem Körpertemperatur, Blutdruck, Nahrungs- und Wasseraufnahme, Schlaf, Fortpflanzung und unsere innere Uhr. Der Hypothalamus ist so mächtig, dass man sich seinen Befehlen kaum widersetzen kann. Er ist einer der ältesten Teile des menschlichen Gehirns, und arbeitet seit Millionen von Jahren daran, dem Menschen auch in Zeiten des Nahrungsmangels das Überleben zu sichern. Auf die totale Übersättigung einer modernen westlichen Kultur ist er leider nicht vorbereitet. Unsere Lebensweise beschert ihm sozusagen eine ständige Leptinüberschwemmung. Das Leptin spricht nicht mehr leise zu ihm, es schreit ihn förmlich an, und das auch noch ständig. Der Hypothalamus interpretiert dies als eine Fehlwahrnehmung. Er tut das, was auch mein Opa getan hätte: er stellt sein Hörgerät leiser. Das Gehirn reguliert das als übertrieben interpretierte Leptin-Signal, indem es die Leptin-Rezeptoren modifiziert. Es nimmt das Leptin-Signal jetzt nur noch gedämpft oder überhaupt nicht wahr. Dieses Phänomen nennt man: LEPTIN-RESISTENZ Es ist genügend Leptin da, sogar zu viel, doch im Gehirn kommt nichts an. Wir fühlen uns gar nicht so übersättigt, obwohl wir viel zu viele Kalorien zu uns genommen haben. Und was noch fataler ist: Das Gehirn schätzt nun auch unsere Fettreserven falsch ein. Wenn wir zwanzig Kilo Fettgewebe zu viel mit uns rumschleppen, wird dieses Fettgewebe natürlich versuchen, das dem Gehirn mitzuteilen, aber dieses hat ja die Lautstärke heruntergedreht, und denkt: „Alles im normalen Bereich.“ Wollen wir nun abnehmen, indem wir die Kalorienzufuhr reduzieren, glaubt unser Gehirn, wir würden uns auf ein gefährliches Untergewicht zubewegen. Dass wir genügend Fettreserven haben, kann es nicht sehen. Es fällt umgehend in den Hungerstoffwechsel. Wir haben kaum noch Energie, Sport funktioniert nur noch schleppend und unter Qualen, wir fangen an häufig zu frieren, und der Hunger quält uns, bis wir nachgeben. Bisher hielt ich es für zweifelhaft, wenn Übergewichtige behaupteten, sie würden eigentlich kaum etwas essen, und trotzdem nicht abnehmen. Ich dachte, die Dicken würden sich selbst belügen, und ihre Nahrungszufuhr falsch einschätzen. Und dann wollen diese Weicheier auch noch kaum Sport treiben! Ich hatte Unrecht, und gebe es nun zu. Das Problem ist doch komplizierter als es den Anschein hat. Mehr zur Leptinresistenz, wie man sie erkennt, und wie man sie verhindert, gibt es nächste Woche in Teil 4. LG, Michaela