Haben wir Menschlein uns, wie Sie wissen, auf die Gene gestürzt. Und haben Ende der 80er Jahre begonnen, das menschliche Genom, also die Gesamtheit unserer Gene zu erforschen.

Wir wussten: Im menschlichen Zellkern und dort in den Chromosomen sitzt ein riesiges Molekül. Nennt sich DNA. Dort ist unsere Erbinformation gespeichert. Und dieses riesige Molekül bestand aus mehr als 3 Milliarden Einzelbausteinen. Recht unübersichtlich. Um diese 3 Milliarden Bausteine ging es.

Erwartet hatten wir, dass im menschlichen Genom wenigstens 120.000 Gene vorhanden sein müssten. Woher diese Zahl? Weil es in den menschlichen Zellen, außerhalb der Kerne mehr als 100.000 Proteine, Eiweiße gibt. Und jedes dieser Proteine braucht ja eine genetische Blaupause, eine Vorschrift. Ein Gen. Hinzugerechnet hat man 20.000 regulierende Gene, die die Abschrift der Geninformation über die mobile RNA-Synthesevorlage (ein Zwischenschritt) bis zum fertigen Eiweiß, zum fertigen Protein steuert.

Jetzt kommt's: Dummerweise hat man parallel zu diesem Großprojekt auch das DNA-Molekül in Mauszellen auseinandergenommen und studiert. Und dann wurde es peinlich:

Beim Menschen fanden sich 19.042 Gene, bei der Maus 20.210. Dumm aber auch. Ist die Maus uns überlegen? Wer sind wir eigentlich?

Mit rotem Kopf hat man sich daraufhin auf den Standard gestürzt. Der Fadenwurm. Mit dem ziemlich viele Vererbungs-Experimente gemacht worden waren. So ein winziger Fadenwurm ist ein paar Millimeter lang und besteht aus exakt 969 Zellen. Nur. Aus fast nichts.

Der Mensch besitzt geschätzte 50 Billionen Zellen. Also 50.000 Milliarden Zellen. Kleiner Unterschied zum Fadenwurm. Und dann platzte die Bombe: Der Fadenwurm mit seinen kläglich wenigen 969 Zellen hatte etwa 20.000 Gene, also mehr als der Mensch.

Deswegen "stürzte der genetische Himmel ein", deshalb wurde Juli 2003 auf einem Kongress in Melbourne von Genforschern aus aller Welt

"das Ende des Anfangs der Genomforschung"

ausgerufen. Und der Nobelpreisträger Prof. Baltimore, also der, der immer und am lautesten der Meinung war, dass die menschliche Existenz von den Genen bestimmt wird, dass der Mensch durch die Gene festgelegt sei, genau der hat in einem geradezu verzweifelten Kommentar zum humanen Genomprojekt festgestellt:

"Wir müssen zugeben, dass wir unsere im Vergleich zu Würmern und Pflanzen zweifellos größere Komplexität nicht durch ein mehr an Genen gewonnen haben."

Frag ich mich gleich: "Größere Komplexität"? Woher weiß der das? Also ich weiß ganz genau, dass Würmer keinen Krebs und keinen Herzinfarkt kriegen. Wir Menschen aber schon. Dass Würmer oder die Maus (gleich viel Gene) klugerweise der Natur folgen, der Mensch dummerweise nicht. Tja. Und Prof. Baltimore spricht weiter:

"Die Erkenntnis dessen, was uns unsere Komplexität verleiht, ... bleibt eine große Herausforderung für die künftige Forschung" (Nature 409:814-816).

Heißt auf gut Deutsch: Wir wissen gar nichts. Das Genomprojekt hat uns eher dümmer gemacht.

Ein Physiker übrigens könnte Prof. Baltimore, ohne viel nachzudenken, ganz spontan helfen. Ihm eine Antwort auf sein Lebensrätsel geben. Auf seine Frage, was uns Menschen mehr Komplexität als der Maus, als dem Wurm verleiht.

Leicht einsehbar, wenn man sich mit Computern auskennt. Da gibt es die Hardware und die Software. Die Hardware, das wären die Gene im Menschen.
Und die Software ...? Das ist die Antwort. Information. Wenn wir schon nicht mehr Gene haben, aber, stolz wie wir sind, uns mehr Komplexität zuschreiben, dann muss das an der Software liegen. An der Information. Und dazu gibt's geniale neue Ideen.

Darüber vielleicht später.