Über Ketose herrschen in der Literatur abenteuerliche Vorstellungen. Wir lesen, das sei eine sehr gefährliche, risikoreiche Diätform, die schwach und schlapp macht und Muskeln zum Verschwinden bringt. So beispielsweise die Deutsche Krebsgesellschaft.

Muss man – ganz im Zeitgeist – wirklich so verantwortungslos daherschwafeln? Kann man als Wissenschaftler nicht auch anständig und seriös bleiben? Dann lassen Sie uns Ketose im Lichte der Vernunft betrachten.


  • Bekannt ist, dass Sie alle in Ketose zur Welt kommen. Die meist milde Ketonämie ist essentiell für die normale Hirnentwicklung eines Menschenbabys. Welches zusätzlich selbstverständlich Glucose benötigt. Beide Nährstoffe sind wichtig.
  • Die Ketonwerte im Neugeborenenblut liegen meist zwischen 0,5 und 1,5 mmol pro Liter. Selten 2 bis 3 mmol pro Liter. 2 mmol pro Liter gilt ja als gute Ketose.
  • Ausgehend von dieser Tatsache dürfen wir festhalten: die Bildung und Nutzung von Ketonkörpern ist keine extreme „Wunderdiät“, aber auch kein „schädliches Not- und Hungerprogramm“ und schon gar kein metabolischer Super-GAU, sondern ein normaler körperlicher Vorgang, der nach Bedarf zu- und abgeschaltet werden kann.
  • Aufgemerkt? Zu- und abgeschaltet werden kann. Eine wesentliche Bemerkung.
  • Ketose hat die Menschwerdung begleitet und vermutlich wesentlich befördert (Gehirn!). Ketone sind also nicht nur effiziente Energiequellen, sondern auch wichtige Signalgeber (Genschalter, Gehirnwachstum, neuronales Netz).
  • Jetzt kommt´s: In unserer westlichen Welt praktisch unbekannt. Wir schenken also wieder einmal etwas her. Was unsere Vorfahren zur Menschwerdung ausgenutzt haben. Und mit Mensch meine ich ein komplettes Wesen, zäh, fit, schlank, ausdauernd, eisern gesund (wie denn sonst?) und außerordentlich klug. Sonst hätte er nicht überlebt.

Nähert man sich dem geheimnisvollen Wort „Ketose“ vernünftig und ohne Schaum vor dem Mund, dann merkt man schnell, dass Ketose ganz unterschiedlich bei ganz unterschiedlichen Zuständen eingesetzt werden kann:


  • Wer die Therapie einer schweren Krankheit (Krebs) unterstützen möchte, wird strenger oder häufiger oder länger in Ketose bleiben wollen, als es möglicherweise „natürlich“ ist.
  • So sind bei einem erblich bedingten Defekt des Zuckertransport ins Gehirn (GLUT1-Mangel) in der Regel höhere Ketonspiegel erforderlich, die sehr streng eingehalten werden müssen.
  • Für Epilepsie-Patienten kann es genügen, die streng ketogene Diät für zwei bis fünf Jahre einzuhalten. Danach kann sie oft gelockert werden.
  • Alternde Menschen mit beginnender Demenz werden dagegen eher eine milde Ketose anstreben und erst – Erfolg merkt man! – mit der Zeit möglicherweise etwas strenger vorgehen.
  • Wer in Ketose abnehmen will, wird das so lange tun, bis das Zielgewicht erreicht ist. Dann kann man die strikten Regeln durchaus lockern – und möglicherweise durch deutlich mehr Bewegung kompensieren.
  • Sportler werden die Ketose eher phasenweise nutzen, je nach Trainingszyklus, je nach Wettkampfhäufigkeit.
  • Das gilt auch für Menschen, die immer wieder geistige Höchstleistung erbringen und sich über viele Stunden hinweg konzentrieren müssen, wie etwa ein Chirurg (jemals über dessen Arbeitstag nachgedacht? Nachts um drei Uhr Notfall, früh um sieben Normalprogramm rund um die Uhr…).

Diese Aufzählung soll Sie etwas entspannen. Etwas ruhiger machen. Hier ist kein Anschlag auf Ihre Willensstärke geplant. Sondern Sie sollten sich daran gewöhnen, dass Sie´s schon als Säugling gekonnt haben. Ohne erst ein Lehrbuch zu studieren. Und noch wichtiger:


Ketose hat Vorteile. Entschiedene und gewaltige Vorteile, die Ihre Vorfahren kannten.

Könnte es sein, dass wir Normalmenschen in Wahrheit auf dem Abstieg sind? Und nur ein paar von uns versuchen, wider den Stachel zu löcken…? Sich einen Vorteil verschaffen?


Quelle:  Ulrike Gonder et al: „Der Keto Kompass“, Seite 53