Januar ist Schilddrüsen-Aufklärungsmonat.

Auf Englisch klingt es etwas eleganter: „Thyroid Awareness Month“.

Diesen nehme ich gerne zum Anlass noch einmal auf die herausragende Bedeutung von Selen für die Schilddrüse aufmerksam zu machen.

Man könnte meinen, dass die Bedeutung von Selen gemeinhin bekannt sei und Selenmangel eine Rarität. Weit gefehlt – täglich messe ich, suboptimale Selenspiegel. Und damit bin ich nicht allein.

Selen wird zwar oft supplementiert, aber nicht ausreichend und nicht konsequent genug. Ein bisschen Selen hier und da zeigt sich dann spätestens in den Laborwerten.

Wie Sie wissen, sind unsere Böden selenarm. Wir bekommen daher über unsere Nahrung nicht genug Selen. Anders als viele andere Länder, wie z. B. die USA.

Zum Vergleich: Der Selengehalt in nordamerikanischem Weizen ist deutlich höher als in europäischem:


  • 100 Gramm Weizen aus den USA liefern 100 μg Selen
  • 100 Gramm Weizen aus Deutschland liefern nur 2 μg Selen

Selen spielt eine entscheidende Rolle für die Funktion und Gesundheit der Schilddrüse (und für viele andere Körperfunktionen selbstverständlich auch).

Es wirkt auf mehrere Arten:

  • Hormonproduktion und -aktivierung:

Selen ist Bestandteil des Enzyms Thyroxin-5-Dejodase, das für die Umwandlung von Thyroxin (T4) in das biologisch aktivere Triiodthyronin (T3) verantwortlich ist.

Diese Umwandlung erfolgt hauptsächlich außerhalb der Schilddrüse in der Leber und in den Nieren und ist wichtig für die Aufrechterhaltung stabiler T3-Spiegel in verschiedenen Organen und Geweben. Insbesondere benötigen unsere Mitochondrien stabile T3-Spiegel, um ATP zu produzieren. Da wird jahrelang an Mitochondrienwerten herumgedoktert und Coenzym Q10 en masse supplementiert, aber der T3-Spiegel dümpelt im unteren Bereich, dank mickriger Selenspiegel.


  • Antioxidative Wirkung:

Die Schilddrüse enthält eine hohe Konzentration Selen-abhängiger antioxidativer Enzyme, insbesondere die Glutathionperoxidase (GPx). Diese Enzyme schützen das Schilddrüsengewebe vor oxidativen Schäden durch freie Radikale, die bei der Hormonproduktion entstehen. Ein Mangel an Selen führt daher zu oxidativem Stress und nachweislich zu einer Hashimoto Thyreoiditis.

  • Entzündungshemmung:

Selen kann Entzündungsprozesse in der Schilddrüse mildern, was besonders bei Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis oder Morbus Basedow von Bedeutung ist.

Ein Selenmangel kann die Schilddrüsenfunktion stark beeinträchtigen und das Risiko für Schilddrüsenerkrankungen erhöhen.

Daher ist eine optimale Selenversorgung für die optimale Funktion der Schilddrüse unerlässlich. Eine ausreichende Selenversorgung liegt in der Regel erst dann vor, wenn 200 bis 300 mcg Natriumselenit pro Tag dauerhaft zugeführt werden.

Im Laborbefund sollte der Selenwert bei 160 mcg/l - im Serum- oder Vollblut gemessen - liegen. Denn erst ab diesem Wert ist eine maximale Aktivität der Glutathionperoxidase gesichert.

Um ganz sicher zu gehen, messen Sie bitte noch Ihren Selenoprotein P-Spiegel. Dieser ist so etwas wie das Transferrin bzw. das Ferritin im Vergleich zu ihrem Eisenwert (siehe auch meine News vom 9.3.2024).

Bei Hashimoto Thyreoiditis ist die konsequente Gabe von Selen (am besten in Form von Natrium-Selenit) die wichtigste Therapiesäule, um diese chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung zu behandeln. Dennoch wird dies nur selten verordnet.

Im vergangenen Jahr wurde eine systematische Übersicht und Meta-Analyse randomisierter klinischer Studien veröffentlicht. Randomisierte kontrollierte Studien gelten dabei als methodischer Goldstandard für die Evaluation der Wirksamkeit und Sicherheit von Therapien. Die Auswertung von mehr als 35 Studien hat ergeben, dass die Gabe von Selen sicher und zuverlässig die TPO-Antikörper bei Hashimoto Thyreoiditis und den typischerweise erhöhten TSH-Wert senkt.

Warten Sie nicht darauf, bis Ihr Arzt Ihnen Selen verschreibt. Es kann sein, dass er die unten genannte Studie gar nicht kennt.


Quelle:

Huwiler VV, Maissen-Abgottspon S, Stanga Z, Mühlebach S, Trepp R, Bally L, Bano A. Selenium Supplementation in Patients with Hashimoto Thyroiditis: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Clinical Trials. Thyroid. 2024 Mar;34(3):295-313. doi: 10.1089/thy.2023.0556. Epub 2024 Feb 16. PMID: 38243784; PMCID: PMC10951571.


Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.